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Die verborgenen Fruechte

Die verborgenen Fruechte

Titel: Die verborgenen Fruechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaïs Nin
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Initiative zu ergreifen. Er würde sie so lange erregen und unbefriedigt lassen, bis dieser Eigenwillen in ihr gebrochen war.
    Hatte er verstanden, daß es eine unwillkürliche Geste gewesen war, eine, die ihr im Grunde gar nicht lag? Doch ob er es verstanden hatte oder nicht, er war blind entschlossen, sie sich zu unterwerfen. Immer wieder trafen sie sich, zogen sich aus, lagen nebeneinander, küßten und liebkosten sich bis zur Raserei, und jedesmal drückte er seinen Penis nach unten, versteckte ihn.
    Immer wieder lag sie passiv da, ohne Verlangen, ohne Ungeduld zu zeigen. Sie befand sich in einem Zustand der Erregung, der ihr ganzes Empfindungsvermögen steigerte. Es war, als hätte sie eine neue Droge genommen, die ihren Körper für Liebkosungen, für Berührungen, ja, für die Luft selbst empfänglicher machte. Das Kleid auf ihrer Haut spürte sie wie eine Hand. Ihr schien, daß alles sie berührte wie eine Hand und ständig ihre Brüste, ihre Schenkel reizte. Sie hatte ein ganz neues Reich entdeckt, ein Reich der Spannung und Bewußtheit, einer erotischen Bewußtheit, wie sie sie noch nie erlebt hatte.
    Eines Tages, als sie mit ihm spazierenging, verlor sie einen Schuhabsatz. Er mußte sie tragen. An jenem Abend nahm er sie bei Kerzenschein. Er glich einem Dämon, wie er über ihr kauerte, mit wirrem Haar, mit seinen kohlschwarzen Augen, die in die ihren brannten, mit seinem kraftvollen Penis, der in sie hineinstieß – in die Frau, von der er zuvor Unterwerfung, ja völliges Sichfügen in seinen Willen verlangt hatte. Bis er den Zeitpunkt für gekommen hielt.

Der Chanchiquito



Als Laura ungefähr sechzehn war, erzählte ihr, wie sie sich erinnerte, ein Onkel, der vor vielen Jahren in Brasilien gelebt hatte, endlose Geschichten aus diesem Land. Er lachte über die Hemmungen der Europäer. Wie er sagte, liebten die Brasilianer sich wie die Affen – oft und schnell; und die Frauen seien zugänglich und bereitwillig.
    Jeder kannte seine begierige Sinnlichkeit. Lachend berichtete er von dem Rat, den er einmal einem Freund gegeben hatte, der nach Brasilien reisen wollte. »Dann mußt du aber zwei Hüte mitnehmen«, hatte er zu ihm gesagt.
    »Warum?« fragte der Freund. »Ich möchte mich nicht mit zuviel Gepäck belasten.«
    »Trotzdem«, beharrte Lauras Onkel hartnäckig. »Du mußt unbedingt zwei Hüte mitnehmen. Weil dir der Wind den einen vom Kopf wehen könnte.«
    »Aber dann kann ich ihn doch aufheben«, meinte der Freund.
    »In Brasilien«, entgegnete Lauras Onkel, »darf man sich nie bücken, sonst… «
    Außerdem behauptete er, in Brasilien gebe es ein Tier, das Chanchiquito genannt werde. Es sehe aus wie ein sehr kleines Schwein mit einer überlangen Schnauze. Der Chanchiquito klettere leidenschaftlich gern den Frauen unter die Röcke und stecke ihnen die Schnauze zwischen die Beine.
    Eines Tages verabredete, ihrem Onkel zufolge, eine sehr vornehme und aristokratische Dame eine Zusammenkunft mit ihrem Anwalt wegen eines Testaments. Der Anwalt war ein weißhaariger, distinguierter alter Herr, den sie seit vielen Jahren kannte. Sie selbst war Witwe, eine äußerst zurückhaltende, imposante Frau, luxuriös gekleidet in weite Seidenröcke mit gestärktem Spitzenkragen und -manschetten und einem Schleier vor dem Gesicht. Sie saß so steif wie eine Figur auf einem alten Gemälde, eine Hand auf dem Sonnenschirmgriff, die andere auf der Armlehne des Sessels. Sie führten ein ruhiges, methodisches Gespräch über die Einzelheiten des Testaments.
    Der alte Anwalt war früher einmal in die Dame verliebt gewesen, aber es war ihm selbst nach zehn Jahren Werbens nicht gelungen, sie zu erobern. Auch jetzt lag immer noch eine gewisse Andeutung von Flirt in ihren Stimmen, doch eines beeindruckend würdevollen Flirts, etwa wie altmodische Galanterie.
    Die Zusammenkunft fand im Landhaus der Dame statt. Es war sehr warm, und alle Türen standen offen. Man sah die Berge. Die Indio-Bediensteten feierten irgendein Fest. Sie hatten das Haus mit Fackeln umringt. Möglicherweise aus Angst davor, und weil es aus diesem Flammenring nicht ausbrechen konnte, kam ein gewisses kleines Tier ins Haus gehuscht. Zwei Minuten darauf begann die alte Dame zu kreischen und wand sich hysterisch in ihrem Sessel. Die Bediensteten wurden gerufen. Der Medizinmann wurde geholt. Die alte Dame schloß sich mit ihm in ihrem Zimmer ein. Als der Medizinmann wieder herauskam, trug er den Chanchiquito auf dem Arm, und das Tier wirkte erschöpft, als

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