Die Verborgenen
stand ein Wort, dessen Buchstaben in typischem Superhelden-Stil gestaltet waren: Sly.
»Alles in Ordnung, Bryan?«
Pookies Stimme hörte sich an, als käme sie von sehr weit her. Schließlich stieß Bryan mit einem langen Seufzen die Luft aus, die er angehalten hatte. Er atmete durch die Nase. Der neue Geruch strömte in ihn hinein. Im Zimmer, wo Rex geschlafen, gespielt und gezeichnet hatte, war dieser Geruch viel stärker. Er war zugleich entspannend und erregend und führte dazu, dass Bryan etwas tun wollte, doch Bryan wusste nicht, was.
Eine Hand klopfte auf seinen Rücken. »Alles in Ordnung, Bri-Bri?« Pookie beugte sich nahe heran und flüsterte: »Liegt es an den Zeichnungen?«
Bryan nickte in Richtung des Schlangengesichts. »Du hast gefragt, ob ein Phantomzeichner festhalten könnte, was ich im Traum gesehen habe. Nun, genau das ist es.«
Pookie musterte die Zeichnung von Sly.
»Das ist völlig irre«, sagte Pookie. »Überhaupt spielen sich hier und heute jede Menge völlig irre Dinge ab.«
Schließlich stand Sammy Berzon auf. Er ließ ein zerknülltes Papiertaschentuch in einen durchsichtigen Beutel für Beweismaterial fallen. »Habt ihr die Wunde des Vogelmanns gesehen?«
Bryan und Pookie nickten.
»Es ist schrecklich«, sagte Sammy. »Der arme Bobby, oder? Könnt ihr euch vorstellen, wie stark jemand sein muss, der jemandem mit einem Beil das Schlüsselbein und drei Rippen durchtrennt?«
»Verdammt stark«, sagte Pookie. »Wahrscheinlich genauso stark wie jemand, der einem anderen den Arm ausreißen kann.«
Sammy dachte nach, dann nickte er. »Ihr glaubt, dass es sich um denselben Täter handelt, der auch Oscar Woody erledigt hat? Er müsste ein Footballprofi oder ein Bodybuilder oder so etwas sein.«
Pookie deutete auf die vielen Zeichnungen von dem muskulösen, braunhaarigen Jungen. »Dieser Junge sieht wie ein Bodybuilder aus.«
» Dieser Junge schon« – Sammy nahm ein gerahmtes Foto von der Kommode und hielt es den beiden hin –, »aber dieser Junge nicht.«
Bryan betrachtete das Foto. Es handelte sich eindeutig um den Teenager, der auf den Zeichnungen so gewaltige Muskeln besaß; auf dem Foto jedoch war er viel dünner, viel kleiner und viel unscheinbarer. Konnte es sein, dass etwas in seinem Gesicht vertraut wirkte? Bryan hatte nie von dem Jungen geträumt. Oder etwa doch? Er ertappte sich dabei, wie er darauf wartete, dass das Foto bei ihm irgendeine besondere Reaktion auslösen würde, doch er spürte nichts.
Das Bild löst nichts bei dir aus, aber was ist, wenn er hier war und du ihn GEROCHEN hast?
»Wir müssen diesen Jungen finden«, sagte Bryan. »Er ist unser Mann.«
Pookie nahm das Foto und betrachtete es eingehend. »Jedenfalls unser Junge . Sammy, das Blut aus der Schusswunde im Flur könnte uns vielleicht sagen, ob es Oscars Killer war, der angeschossen wurde, richtig?«
Sammy nickte.
»Klasse«, sagte Pookie. »Wir brauchen zusätzlich noch die DNA von diesem Rex. Er ist ein paarmal mit Woody und der BoyCo zusammengestoßen.«
»Der Junge hat hier gelebt. Seine DNA müsste überall in der Wohnung zu finden sein«, sagte Sammy. Er hielt den Beutel für Beweismaterial hoch. »Aber das hier genügt schon.«
Blinzelnd beugte sich Pookie vor. »Was ist das? Schleim aus seiner Nase?«
»Etwas Besseres«, sagte Sammy. »Sperma. Sogar noch feucht.«
Pookie lehnte sich zurück. »Das ist ekelhaft, Sammy. Ekelhaft.«
Sammy zuckte mit den Schultern. »Es stammt von Rex, und das wolltet ihr doch, oder? Hör zu, ich sorge dafür, dass Robin das Zeug bekommt, aber wie wär’s, wenn ihr beide jetzt den Abgang machen würdet? Ich muss arbeiten.«
Bryan und Pookie gingen hinaus in den Flur, wo sie erneut vorsichtig über die Leiche hinwegstiegen. Wenige Augenblicke später hatten sie das Haus verlassen und näherten sich Pookies Wagen.
Bryan konnte nicht aufhören, über den Geruch nachzudenken. Auf einer gewissen Ebene, die er selbst nicht verstand, begriff er nun seinen Traum-Hass und seine Lust, Jagd auf diese Jungen zu machen. Das alles kam von Rex Deprovdechuk, einem Teenager, dem Bryan nie begegnet war und von dessen Existenz er bis vor wenigen Stunden nicht einmal gewusst hatte. Was hatte der magere Dreizehnjährige getan, um den Tod von Oscar Woody und Jay Parlar zu bewerkstelligen? Konnte er irgendwie seine Gedanken aussenden? Besaß er telepathische Fähigkeiten? Das war vollkommen unmöglich, und doch konnte es keinen Zweifel daran geben, dass Bryan Clauser auf
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