Die Verborgenen
unternimmst.«
Es war eine Sache, Bryan nicht für einen Mörder zu halten, doch es war etwas völlig anderes, darauf zu vertrauen, dass er nicht bei der nächsten Gelegenheit in Ericksons Haus stürmte. Wenn Bryan etwas ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen wollte, dann wäre es besser gewesen, wenn Pookie schon längst alle Verbindungen zu ihm gekappt hätte. Doch das hatte er nicht getan. Pookie hatte Loyalität und wahre Freundschaft bewiesen; er stand zu seinem Partner, was immer auch kommen mochte. Und nachdem sich Pookie so sehr für Bryan engagiert hatte, verlangte er da tatsächlich eine zu hohe Gegenleistung? Nein. Obwohl Bryan unbedingt in das Haus gelangen wollte, würde er tun, worum Pookie ihn bat.
»Ich werde nur beobachten«, sagte Bryan. »Versprochen.«
Pookie hob die rechte Faust. »Das Wort gilt?«
Bryan lachte, und das Geräusch überraschte ihn selbst. »Pimmelschwanz Wichserlutscher«, sagte er und stieß mit seiner Faust gegen Pookies Faust.
Bryan fühlte sich besser. Und er musste zugeben, dass Pookies Vorgehen schlichtweg klüger war. Der Bogenschütze hatte einen sechs Stockwerke tiefen Sprung überlebt und nur wenige Sekunden später einen Menschen mit einem verrückten Pfeil getötet. Wenn das keine Definition von Übler Scheißkerl war, gab es überhaupt keine. Der Bogenschütze war zu gefährlich, als dass ihm jemand hätte allein gegenübertreten können.
Bryan lehnte sich zurück und sah durch das Fenster des Buick. Er beobachtete, wie die Sonne hinter dem Transamerica Building unterging und zählte die Minuten, die es noch dauern würde, bis er auf die Jagd gehen konnte.
Tee bei Amy Zou
C hief Amy Zou nahm einen Schluck Tee. Die winzige Miss-Piggy-Porzellanteetasse enthielt natürlich nur imaginären Tee, doch nichts würde je süßer schmecken.
»Hmmm«, sagte sie. »Er ist sehr gut. Wer von euch hat ihn gemacht?«
Ihre Zwillingstöchter kicherten.
»Wir beide haben ihn gemacht, Mom«, sagten sie gleichzeitig. Amy fand es verdammt unheimlich, wenn sie das taten.
Sie saß in einem kleinen rosa Stuhl an einem kleinen rosa Tisch. Ihre Tochter Mur und ihre Tochter Tabz saßen links und rechts von ihr, ihr Mann Jack saß ihr gegenüber. Auch er nippte mit stilecht abgespreiztem kleinem Finger an einer winzigen Teetasse. Auf dem Kopf trug er einen Hut mit rosa Blumen, der in seinem schütteren blonden Haar festgesteckt war. Die Mädchen wollten, dass er diesen Hut trug, also tat er es.
»Mmmmm«, sagte Jack. »Ich glaube, das ist Opossumdarmtee. Er schmeckt köstlich verwest und stinkt göttlich.«
Die Mädchen kicherten. In ihren kleinen Partykleidchen sahen sie hinreißend aus.
Friede erfüllte Amys Herz – erfüllte es fast . Sie erlebte nicht viele Augenblicke wie diesen, und selbst wenn es dazu kam, wurde sie von einer inneren Stimme gequält, die ihr vorhielt: Es wird kaum noch solche Tage geben; die meisten früheren Gelegenheiten hast du bereits vermasselt. Wegen ihrer Arbeit konnte sie sich nie völlig entspannen – und diese Arbeit war nie fern. Ihr Handy lag auf dem Tisch und wirkte neben den Teetassen und der Kermit-der-Frosch-Teekanne auf hässliche Weise fehl am Platz.
Tabitha griff nach einem imaginären Stück Kuchen. Mur mochte den Kuchen nicht, das hatte sie bereits nach dem ersten imaginären Bissen klargestellt. Tabitha zog es vor, Tabz genannt zu werden, denn das war, wie sie es nannte, lustikomischer . Mary wollte ausschließlich als Mur angesprochen werden. Die Gründe dafür hatten Amy und Jack dem Mädchen nie entlocken können.
Jack kniff die Augen zusammen und fixierte die Mädchen mit misstrauischem Blick. »Moment mal. Habt ihr beide diesen Tee etwa mit flüssigem Elefantenpups aufgepeppt?«
Die Mädchen kreischten vor Lachen, warfen ihre Köpfe nach hinten und wippten wild auf ihren Stühlen.
»Nein, Daddy «, sagte Tabz. »Es ist kein Elefantenpups. Es ist Affenpups .«
Jack stellte mit komischer Empörung seine Tasse ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Er lehnte sich zurück und schüttelte seinen Kopf so heftig, dass der Hut auf seinem Kopf wackelte. Um Himmels willen. Aber wie sehr die Mädchen ihn doch liebten.
Amy bemerkte mit Schrecken, dass Tabz ihr schweres, seidiges, schwarzes Haar zu zwei langen Zöpfen geflochten trug. Das war noch nie vorgekommen. Bisher hatte sie ihr Haar stets offen getragen, genauso wie Mur es auch jetzt noch tat. Beide hatten sie Amys Haar geerbt; da gab es nicht die geringste Spur der
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