Die Verborgenen
Drohungen passte.
Rex wollte schon wieder aufstehen, als eine Faust gegen seinen Mund krachte. So hart. Er stürzte und landete auf seinem Hinterteil. Ein Stiefel traf ihn in den Bauch und jagte die Luft aus seinen Lungen. Rex krümmte sich zu einer Kugel zusammen. Plötzlich war all seine Angst wieder da. Angesichts der Schläge durchströmte ihn pures Entsetzen, denn er wusste, diesmal würde es schlimmer werden als je zuvor. Er hätte nicht hierherkommen sollen.
Eine große Faust traf ihn am Hinterkopf und riss sein Gesicht vom Parkettboden hoch.
»Du hast Aprils Fernseher ruiniert, du Arschloch!«
Die Stahlkappe eines Stiefels bohrte sich in seine Rippen. Rex wollte aufschreien, ein Kreischen ausstoßen, doch er biss die Zähne zusammen – es tat gar nicht so weh. In seiner Erinnerung waren die Schmerzen größer gewesen.
Rex öffnete die Augen. Direkt vor ihm ein Fuß, ein Schienbein, ein Knie. Er streckte die Hände aus, packte Alex’ Ferse und riss daran.
Alex stürzte sofort. Sein Hinterkopf schlug knirschend auf dem Boden auf. Er kniff die Augen zusammen, und sein Mund öffnete sich in einem verblüfften, stummen Ausdruck des Schmerzes. Er rollte sich auf die Seite und hielt seinen Hinterkopf mit beiden Händen.
Blut tropfte von seinen Fingern.
Rex hatte das getan. Rex hatte Alex bluten lassen.
Rex erhob sich mit zitternden Beinen. Er fühlte, wie sein eigenes Blut ihm aus Nase und Mund floss. Er ging nach vorn und hob seinen Fuß.
Alex sah genau in dem Moment auf, als Rex’ Absatz nach unten schoss. Der größere Junge stieß einen Laut aus, der gleichzeitig Angst, Wut und Qual ausdrückte. Er rollte sich weg, während das Blut aus seiner zerschmetterten Nase strömte. Er sah verwirrt aus, schockiert.
Rex schenkte ihm ein blutiges Lächeln, das Lächeln eines Kämpfers. Er ballte die Fäuste.
»Jetzt bist du an der Reihe, du Schläger«, sagte er. »Jetzt wirst du lernen, was Schmerzen sind.«
Alex kroch auf Händen und Knien weg. Rex wollte ihm gerade folgen, doch er hielt inne, als er ein lautes Geräusch hörte, das von irgendwo oben kam. Mehrere Geräusche. War etwas auf dem Dach gelandet?
Beide Jungen sahen zur Decke, und ihre Blicke suchten nach der Quelle des Lärms, als könnten ihre Augen Holz und Kitt durchdringen.
»Verdammt«, sagte Alex. »Was für eine Scheiße ist das denn?«
Rex’ Brust begann zu hämmern – ba-da-bum-bummmm … ba-da-bum-bummmm . Genau dieses Gefühl hatte er auch bei seiner Begegnung mit Marco empfunden.
Seine Familie war gekommen.
Wie passend.
Rex drehte sich wieder zu Alex um, doch Alex hatte sich bewegt. Er stand rechts von der Tür neben einem kleinen Tisch. Er hielt eine Pistole in der Hand. Zu spät begriff Rex, wohin Alex immer wieder geblickt hatte, als sie sich unterhielten. Die Pistole hatte die ganze Zeit über nur eine Armeslänge entfernt auf dem Tisch gelegen, doch Rex hatte nicht hingesehen.
Nein, nicht fair, ich habe ihn besiegt ich habe ihn besiegt ich hatte meine Rache nicht fair …
» Leck mich, Schwuchtel!«, sagte Alex und drückte auf den Abzug.
Etwas krachte mit voller Wucht gegen Rex’ Bauch. Seine Beine wurden unter ihm weggerissen. Noch im Stürzen hörte er fast gleichzeitig mehrere Geräusche – splitterndes Holz, einen zweiten Schuss und dann die Schreie von Alex Panos.
Der Keller
B ryan Clauser verbarg sich im Schatten der Bäume, die ihrerseits im Schatten hoher Gebäude standen. Er öffnete und schloss die Hände, und seine Lederhandschuhe knirschten. Er starrte die Rückseite des grauen Hauses an.
Er starrte die Kellertür an.
Der Keller. Was auch immer sich hier Schlimmes abspielen mochte, der Keller wäre der entscheidende Ort dafür. Bryan musste es wissen.
Die Kellertür erwartete ihn wie ein Dämonenmaul, bereit, sich zu öffnen und zuzubeißen, zu kauen, zu zerreißen, zu zerfetzen und zu zermalmen. Traum-Erinnerungen ließen die Wirklichkeit verschwimmen, wechselten ihre Gestalt und verschmolzen mit dem, was Bryan sah, bis er nicht mehr sicher war, was er tatsächlich vor sich hatte.
Komm näher, schien das Haus zu sagen. Komm, kleiner Narr, damit ich mir die Mühe spare, zu dir zu kommen und dich in mich hineinzuziehen …
Seine Sportschuhe glitten über das Gras und trugen ihn zur Tür. Er beugte sich vor, streckte die Hand aus und tastete nach dem Eingang. Das war kein Holz. Es war schweres Metall, das so lackiert worden war, dass es wie die anderen , echten Holzteile des Hauses aussah. In der
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