Die Verborgenen
Türknauf einen Tritt. Das Holz splitterte mit einem lauten Krachen, als schlüge eine Kanonenkugel ein. Die Doppeltür flog auf. Der rechte Teil wurde in den Flur dahinter geschleudert, wo er, nach einem kurzen Taumeln durch die Luft, mit einem Knall auf dem Boden landete. Die Tür hatte viel solider gewirkt. Anscheinend handelte es sich nur um ein paar billige Kiefernplatten und nicht um altes Eichenholz, wie Bryan zuerst vermutet hatte.
Der schrille Ton einer Alarmanlage erklang.
Bryan betrat das Gebäude. Er nahm seine Umgebung kaum wahr. Er suchte eine einzige Sache, nichts sonst.
Irgendwo hier drin gab es eine Tür, die in den Keller führte.
Der Einbruch ließ einen Magnetsensor reagieren, der über einen dünnen Draht ein Signal an die Kontrollvorrichtung der Alarmanlage im Keller schickte. Diese wiederum hatte den Lautsprecher aktiviert, der im ganzen Haus zu hören war, doch das System leistete noch mehr. Eine Telefonleitung führte aus der Kontrollvorrichtung zu einem mehrkanaligen Bürotelefon – einem Gerät, das einmal weiß gewesen war, doch im Lauf von mehr als zwei Jahrzehnten einen gelben Farbton angenommen hatte. Das Telefon verfügte über einen Hörer, neben dem sich eine senkrechte Reihe von acht Knöpfen befand, von denen jeder einzelne mit einem roten Lämpchen ausgestattet war. Das rote Licht neben LEITUNG EINS leuchtete auf. Aus dem Lautsprecher des Telefons erklang ein kurzes Wählgeräusch und dann rasch hintereinander sieben digitale Piepstöne.
Pookie sah den hohen Turm von Ericksons Stadtvilla auf der linken Straßenseite. An der Bordsteinkante stand ein Wagen hinter dem anderen, sodass Pookie nirgendwo parken konnte. Dann bemerkte er, dass die Auffahrt zum Haus völlig frei war. Zwar hatte Pookie nicht vor, den Wagen dort abzustellen, denn er wollte verhindern, dass er von jemandem bemerkt wurde, der sich möglicherweise im Haus aufhielt, doch er hatte keine Zeit mehr. Er bog von der Straße ab, trat auf die Bremse und ließ den Wagen über den Kies schliddernd ausrollen. Er griff nach seiner Streamlight-Stinger-Taschenlampe und war bereits nach draußen gesprungen, bevor der Buick schaukelnd ein kleines Stück nach hinten rollte und abrupt zum Stehen kam. Pookie hörte das Schrillen der Alarmanlage. Er rannte die Treppe zum Vorbau hinauf, wo er die eingetretene Doppeltür sah.
Bryan war bereits im Gebäude. Pookie musste ihn rausholen.
Trotz der Alarmanlage hörte er in einiger Entfernung das rasch näher kommende tiefe Gurgeln einer Harley.
Pookie zog seine Glock. Mit der Pistole in der einen Hand und der Taschenlampe in der anderen betrat er das Haus, indem er einen großen Schritt über die aus den Angeln gerissene Tür machte, die mitten im Eingangsbereich auf dem Boden lag. Unablässig stieß die Alarmanlage ihren schrillen metallischen Ton aus. Pookie kniete nieder und ließ den Strahl seiner Taschenlampe über die Türkante gleiten. Solide Eiche. Fast fünf Zentimeter dick und absolut widerstandsfähig. Hatte Bryan das getan? Womit? Zwei Metallriegel funkelten im bewegten Strahl der Taschenlampe, und dann sah Pookie noch etwas: eine Stahlstange von einem Meter Länge, wie sie zur Sicherung von Türen verwendet wurde.
Die Stange war an einem Ende verbogen.
Bryan hatte sich seinen Weg durch eine superdicke, mit zwei großen Metallriegeln und einer verdammten Stahlstange gesicherte Tür gebahnt.
Pookie erinnerte sich daran, wie Bryan auf den Kleintransporter gesprungen war. Damals war es dunkel und er weit entfernt gewesen, seine Augen hatten ihm einen Streich gespielt und so weiter und so fort. Er hatte sich diese Dinge immer wieder eingeredet, denn er wollte unbedingt glauben, dass Bryan einfach nur Bryan war – und nicht irgendetwas anderes.
Bilder blitzten vor Pookies innerem Auge auf. Ein Mann in einem Cape, der über eine Straße hinwegsprang, von einem Gebäude auf ein anderes; eine Leiche mit einem an der Schulter ausgerissenen Arm; Robin, die über Gene und Mutationen sprach.
Alles passte zusammen.
»Oh, Scheiße«, sagte Pookie.
Bryan steckte in größeren Schwierigkeiten, als die beiden sich jemals vorgestellt hatten.
Pookie stand auf. Während er den Strahl seiner Taschenlampe über die dunklen Wände gleiten ließ, drang er immer tiefer in das Haus ein.
Die Geräusche des nächtlichen Verkehrs drangen von den vier Stockwerke tiefer gelegenen Straßen zu ihm herauf. Späte Windböen führten einen kleinen Tanz auf, doch sie waren nicht stark genug,
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