Die Verborgenen
Brise . Frische Luft. Na ja, nicht wirklich frisch, denn sie roch nach Metall und Schmiermitteln, doch sie war immer noch frischer als alles, was er seit seinem Erwachen in der weißen Zelle eingeatmet hatte. Wieder spürte er das Beben. Etwas Großes, Mechanisches, das immer näher kam.
Hillary hob den Arm, die Handfläche gegen Aggie gerichtet. Die Geste besagte: Bleib stehen, rühr dich nicht von der Stelle. Aggie wartete. Sie schaltete die Coleman aus. In der Dunkelheit schienen die Wände immer näher zu kommen.
Das Dröhnen wurde lauter. Der Tunnel vibrierte. Plötzlich gab es einen Lichtblitz, und Metallräder kreischten auf Metallschienen.
Ein U-Bahn-Zug.
Er befand sich irgendwo im U-Bahn-System von San Francisco.
Aggie bemühte sich, ruhiger zu atmen. Er wagte es kaum, sich einzugestehen, was er da gesehen hatte. Und dass er wirklich freikommen würde.
Der Zug fuhr erneut an, und das Dröhnen verklang.
Hillary schaltete die Laterne wieder ein. Die Säulen waren nicht eingestürzt. »Jetzt geh«, sagte sie. »Erinnerst du dich an das, was ich dir gesagt habe?«
Aggie nickte. Sie schenkte ihm das Leben. Er würde seinem Versprechen alle Ehre machen. Er würde nie als Bräutigam enden. Nie.
Er drehte sich um, sodass er ihr das Baby reichen und durch das Loch nach draußen kriechen konnte, hielt jedoch noch einmal inne. Plötzlich durchfuhr ihn ein Gedanke, der ihn mit einer geradezu überwältigenden Angst erfüllte: Was war, wenn Hillary das Baby nahm und wegrannte?
Sie wartete.
»Ich werde das Baby absetzen«, sagte er. »Könnten Sie einen Schritt nach hinten machen?«
Sie lächelte, nickte und trat einen Schritt zurück. Behutsam legte Aggie die Tasche auf den Boden und schob sich durch das enge Loch, sodass die Todesfalle des Tunnels hinter ihm lag. Er stand auf einem schmalen Sims, der sich senkrecht über den U-Bahn-Schienen befand und parallel zu ihnen verlief.
Er beugte sich nach hinten, griff durch das Loch und hielt gleich darauf den kleinen Jungen wieder in den Armen.
Aggie drückte die Tasche an sich; seine Angst ließ nach.
Zu seiner Rechten sah er unter sich die Lichter einer U-Bahn-Station. Sie lag auf der anderen Seite des Tunnels.
Hillary schloss die Sperrholzabdeckung hinter ihm. Langsam gewöhnten sich Aggies Augen an die Dunkelheit. Das Loch, durch das er gerade gekrochen war, existierte nicht mehr. Aggie konnte nur noch die sechseckigen Fliesen des U-Bahn-Tunnels erkennen. Die Sperrholzabdeckung war auf der Außenseite mit Fliesen bedeckt, die perfekt zu ihrer Umgebung passten. Sie glitten wie ein Puzzleteil an die dafür vorgesehene Stelle. Wenn Aggie nicht selbst gerade daraus hervorgekommen wäre, hätte er niemals ahnen können, dass das Loch existierte.
Aber das spielte keine Rolle mehr.
Er hatte überlebt .
Aggie strich beim Gehen mit der rechten Hand über die Fliesenwand. Er wusste nicht, welches die »dritte Schiene« war, die unter Strom stand und ihn und den Jungen töten würde. Wahrscheinlich war es die in der Mitte, doch er würde kein Risiko eingehen.
Aggie kam der Stelle, an der der Tunnel in die Station mündete, immer näher. Die Schienen führten aus der Dunkelheit und verliefen parallel zum Bahnsteig der Station. Auf der Plattform sah er einige Menschen. Die U-Bahn fuhr noch, also konnten die frühen Morgenstunden noch nicht angebrochen sein.
Vorsichtig trat Aggie vom Sims herab, überquerte die Schienen und näherte sich der Plattform auf der anderen Seite des Tunnels. Er schob sich mit dem Rücken an der Tunnelwand entlang. Plötzlich spürte er ein schwaches Vibrieren. Der nächste Zug rollte heran. Aggie musste sich beeilen. Die Menschen auf der Plattform würden ihn sehen, aber er hatte keine andere Wahl.
Er war immer noch in die stinkende Decke gewickelt, und das verschaffte ihm eine Möglichkeit, um an diesen Menschen vorbeizukommen: Er würde aussehen, sich verhalten und riechen wie einer der vielen Obdachlosen, die sich ständig in den U-Bahn-Stationen herumdrückten.
Er erreichte das Ende des Tunnels. Die Plattform befand sich auf Höhe seiner Brust. Er hob die Stricktasche mit dem Jungen hoch und legte sie vorsichtig auf den gelben Warnstreifen an der Kante der Plattform. Dann kletterte Aggie nach oben. Die Leute drehten sich zu ihm um, erkannten, was er war, und wandten sich sofort wieder ab. Aggie hob die Tasche vom Boden auf. Mit der einen Hand hielt er das Baby, mit der anderen zog er die Decke um sich und den Jungen. Das Herz
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