Die Verborgenen
Bürgermeister von San Francisco, die Hand. Hinter ihrem Tisch hingen an leicht geneigten Fahnenstangen die Flagge der USA und die dunkelblaue Flagge des Staates Kalifornien.
Die Oberfläche des Schreibtischs sah größer aus, als sie war, weil sich außer einem geschlossenen Aktenhefter und einem dreiteiligen Klappbild – mit einem Flügel für jede ihrer beiden Zwillingstöchter und dem Mittelteil für ihren Mann – fast nichts darauf befand.
Bryan war nicht zum ersten Mal aus solchem Anlass in diesem Raum. Zous Büro fühlte sich jedoch bedrückender an, als er es in Erinnerung hatte. Schwer lag die Drohung in der Luft, dass seine Karriere vielleicht ihr Ende finden würde. Gut möglich, dass seine Schüsse auf Carlos Smith als gerechtfertigt bewertet würden – inzwischen kannten sie den Namen des Angreifers mit der Pumpgun –, doch selbst wenn das der Fall war, standen vierzehn Jahre seines Lebens als Polizist auf dem Spiel.
Polizeichefin Zou deutete auf zwei Stühle vor ihrem Schreibtisch.
»Inspektor Clauser, Inspektor Chang, setzen Sie sich bitte.«
Ohne den Hefter auf dem fast leeren Schreibtisch aus den Augen zu lassen, ging Bryan zum rechten Stuhl. Die Kanten des Hefters waren parallel zu den Kanten des Tisches ausgerichtet. Der Hefter hätte nicht genauer in der Mitte liegen können, wenn sie ein Maßband benutzt hätte.
Bryan setzte sich. Pookie setzte sich ebenfalls.
Wellen der Übelkeit rollten über Bryans Magen hinweg. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich zu konzentrieren. Das Blut hämmerte überall in seinem Körper, doch damit konnte er zurechtkommen; nicht zurechtkommen würde er jedoch mit einer Situation, in der er sein Frühstück im Zimmer der Polizeichefin von sich gäbe.
Robertson nickte Pookie zu und deutete Bryan gegenüber ein Lächeln an. War das ein gutes Zeichen?
Amy Zou war seit zwölf Jahren Polizeichefin – für die Verhältnisse in San Francisco eine Ewigkeit. Obwohl wirklich viele Polizeiseminare Bryan darüber belehrt hatten, wie gefährlich es war, auf das Aussehen einer Frau zu reagieren, konnte er nicht leugnen, dass Zou ziemlich attraktiv war – jedenfalls für ihr Alter. Pookie hatte erklärt, dass Zou mit Ende fünfzig ganz offiziell zu der Gruppe von Frauen gehören würde, die »man nicht von der Bettkante stoßen sollte«, sofern sie es nur schaffen würde, ein einziges Mal zu lächeln.
Polizeichefin Zou nahm den Hefter vom Tisch, öffnete ihn kurz und legte ihn dann wieder zurück, wobei sie darauf achtete, dass er so perfekt ausgerichtet war wie zuvor. Offensichtlich kannte sie die Ergebnisse bereits. Noch einmal nachzusehen war eher ein nervöser Tick als irgendetwas anderes.
Sie starrte Bryan an. Er versuchte, ruhig dazusitzen.
Wieder öffnete Polizeichefin Zou den Hefter. Diesmal beugte sie sich vor und las den Inhalt laut vor.
»Über die Ereignisse des ersten Januar«, sagte sie, »und den tödlichen Einsatz gegen Carlos Smith, einen Einwohner von South San Francisco. Die vorläufigen Erkenntnisse legen nahe, dass Inspektor Bryan Clauser in einer Weise reagiert hat, die der Situation angemessen war. Clausers Verhalten hat Leben gerettet.«
Sie schloss den Hefter, legte ihn zurück und starrte Bryan an. »Zwar müssen wir die vollständigen Ergebnisse der Untersuchungskommission noch abwarten«, sagte sie, »aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es dabei Probleme geben wird. Basierend auf den Aussagen der Augenzeugen, die ich erhalten habe, werde ich der Kommission meine Einschätzung der Situation mitteilen.«
Bryan ertappte sich dabei, wie er erleichtert ausatmete. Die Sache würde ihm nicht mehr nachhängen. »Das ist großartig, Chief.«
Robertson kam um den Tisch herum und schlug Bryan auf die Schulter. »Ich bitte Sie, Bryan«, sagte er, »Sie wissen, dass Ihre Schüsse gerechtfertigt waren.«
Bryan zuckte mit den Schultern und versuchte, seine Gefühle nicht allzu deutlich zu zeigen. »Ich bin ständig zur falschen Zeit am falschen Ort.«
Robertson schüttelte den Kopf. »Sie taten, was getan werden musste. Und das bei mehr als einer Gelegenheit. Sie haben das Leben unbeteiligter Bürger und anderer Polizisten gerettet, Bryan. Sie hatten keine Wahl.«
Zou wandte sich an Jennifer. »Miss Wills? Irgendwelche Anmerkungen aus dem Büro des Staatsanwalts?«
Jennifer schüttelte den Kopf. »Nein, Chief Zou. Wenn man Smiths Vorstrafenregister in Betracht zieht, dürften sogar diejenigen Gruppen auf Proteste verzichten, die sich sonst zu
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