Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
auf, in der Hoffnung, dass ihre ungewohnt neutrale Antwort verstörend auf ihn wirken würde. Sie hob ihr Glas, deutete ein Prosit an und trank. Wie nebenbei wechselte sie das Thema.
»Was haltet ihr eigentlich von Großvaters Angebot, mich als Geschäftsführerin dieser neuen Organisation einzusetzen?«
Die Männer schauten erst sie, dann einander an.
»Das ist das Erste, was ich davon höre«, sagte ihr Vater und klang überrascht. »Erzählst du uns mehr?«
Sie kam der Aufforderung nach, und als sie damit fertig war, ergriff Rudolf von Beringsen das Wort: »Dieses Angebot erstaunt mich sehr, aber, ohne Näheres zu wissen, rate ich dir: Greif zu!«
Er wandte sich an seinen Sohn. »Was meinst du dazu?« Bernhard antwortete sofort:
»Es wäre dumm, Großvaters Angebot abzulehnen. So großzügig ist er sonst nie. Also nichts wie ran!«
»Ich überlege es tatsächlich.« Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie die Männer sich erneut Blicke zuwarfen. »Ich würde eine solche Organisation allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen leiten wollen. Wenn ich wirklich etwas ausrichten könnte und meine Arbeit im Leben der Betroffenen Veränderungen bewirken würde, dann wäre ich dabei.«
Rudolf nickte.
»Andererseits«, fuhr Katja fort, »bedeutet dies, mit euch zusammenzuarbeiten, und, ehrlich gesagt: Davor graust es mir.«
So – nun war es raus und ihr Friedensgelöbnis erst einmal dahin. Sie reckte das Kinn und schaute erst Rudolf, dann Bernhard an. Beide zeigten keinerlei Reaktion. Sie nutzte deren Schweigen, um Fragen zu stellen, die sie schon eine Weile umtrieben.
»Vater, kannst du mir verraten, weshalb unsere Familie in Papua-Neuguinea verflucht sein soll? Ich hatte eine tote Schlange über meiner Türklinke hängen, von den Einheimischen werde ich entweder ignoriert oder sie schreien mich im Krankenhaus grundlos an.« Vom Überfall erzählte sie lieber nichts, das wäre nur Wasser auf die Mühlen ihres Vaters, der sie vor dieser Gefahr nachdrücklich gewarnt hatte. »Irgendeine Idee, wer das gewesen sein könnte?«
Rudolf sah sie unter einer gerunzelten Stirn an.
»Das wird wohl wegen der Mine gewesen sein, weshalb denn sonst?« Plötzlich stand er auf und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Siehst du? Das ist genau die Art von Auseinandersetzung, von der ich rede und mit der ich nicht zurechtkomme. Dieser verdammte Voodoo-Zauber!«
»Bitte setz dich!« Bernhard zupfte seinen Vater am Ärmel, und dieser gehorchte zögerlich.
»Das ist kein Voodoo, Vater. Wir sind nicht in Afrika«, sagte Katja.
Rudolf machte eine wegwerfende Geste.
»Von mir aus. Nenn es, wie du willst. Ich mag es trotzdem nicht. Wieso können die Leute nicht das Positive am Fortschritt erkennen? Manchmal möchte ich sie bei den Schultern nehmen und schütteln. Was ist mit dem Krankenhaus, mit der florierenden Wirtschaft und den Arbeitsplätzen, will ich sie fragen. Aber sie starren mich nur aus großen Augen an und begreifen nichts, gar nichts.« Er fasste sich mit beiden Händen an die Stirn. »Es ist so unglaublich frustrierend. Als würden wir alles von ihnen nehmen und nichts zurückgeben.«
»Wenn du willst, kann ich dir dabei helfen, deinen Standpunkt verständlich zu machen«, sagte sie. »Was du da wegen der Mine sagst, stimmt zum Teil, zum Teil aber auch nicht.« Eine Pause entstand. Der Blick ihres Vaters verriet ihr, dass er ihren Worten größte Aufmerksamkeit schenkte, so wie er es schon lange nicht mehr getan hatte. Sie sprach weiter: »Ich glaube nicht, dass die Probleme, auf die du hier wegen der Mine stößt, unüberwindbar sind, aber du …« Sie hielt inne. »Wir«, korrigierte sie sich, »wir müssen daran arbeiten.«
Bernhard hob abwehrend die Hände.
»Was soll denn bitte all das Gerede, Katja?«
Die Kellnerin stellte ihm einen Teller vor die Nase. Bernhard ließ die Hände sinken. Eine weitere Bedienung rollte ein Wägelchen an ihren Tisch und begann, den gegrillten Fisch geschickt zu filetieren, während die Kollegin das Gemüse vorlegte. Die Familie sah schweigend zu. Katja orderte Getränke nach, und sie begannen zu essen. Der Fisch war perfekt gegart, er zerfiel auf der Gabel. Katja fragte sich, ob ihr Patient Tami ihn eben erst gefangen hatte. Ihr Vater und ihr Bruder nickten Katja anerkennend zu. Nach ein paar Bissen legte Bernhard jedoch das Besteck zur Seite, tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab und sah seine Schwester eindringlich an.
»Katja, die Einheimischen
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