Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Längsseiten in das Rechteck der Missionsstation Vunapope einfügte. Die dazugehörende Verwaltung schloss sich nahtlos auf der kurzen Seite an, die dem Meer zugewandt war. Gegenüber befand sich das schönste Gebäude: eine weiß gestrichene Holzkirche im Kolonialstil, in deren Vorgarten zwei Nonnen verwelkte Blüten von den hüfthohen Büschen abknipsten. Lambert grüßte die Frauen mit einem Kopfnicken und folgte dem gepflasterten Weg, der in einem kurzen Bogen vom Parkplatz der Angestellten zum Eingang des St. Mary’s führte. Die anderen Nutzbauten, die sich um das Viereck mit dem kurz geschnittenen Rasen und dem Rundweg gruppierten, so erklärte ihr Lambert, fielen in Pfarrer Reuters Reich. Es handelte sich dabei um die Missionsschule, in der zukünftige Priester ausgebildet wurden, und um das Waisenhaus samt dazugehöriger Schule. An der Hauswand des Waisenhauses war eine schlichte Gedenktafel angebracht, die den Neubau aus dem Jahr 1982 Phebe »Miti« Parkinson widmete, »der Mutter aller elternloser Inselkinder«, wie es dort auf Englisch geschrieben stand. Katja nickte anerkennend. Der Bau, der nun natürlich nicht mehr so neu war, wirkte zwar gepflegt, aber irgendwie lieblos. Nichts außer dem Schild oder der Gedenktafel wies darauf hin, dass hier Kinder lebten. Katja wandte den Blick dem Hospital zu. Sik Haus, las sie auf der einfachen Holztafel über dem Eingang und runzelte verwundert die Stirn.
»Dreimal dürfen Sie raten, was das heißt. Na?«
Katja hob hilflos die Schultern.
» Sik Haus ist Tok Pisin für Krankenhaus. Sik steht für das englische sick, und Haus kommt tatsächlich aus dem Deutschen, das Wort stammt also noch aus der deutschen Kolonialzeit.«
Das Kapitel über die einheimische Sprache Tok Pisin mit ihren vielfältigen Einflüssen hatte Katja im Reiseführer nur grob überflogen, und nun ärgerte sie sich ein wenig über ihre Nachlässigkeit. Dennoch musste sie lächeln.
» Sik Haus. Das werde ich mir merken, gefällt mir richtig gut.«
Lambert lächelte jetzt auch. Der schmale Flur, der gleichzeitig als Warteraum diente, war von Patienten geradezu belagert. Die meisten saßen geduldig mit gekreuzten Beinen auf dem grün gestrichenen Waschbeton. Alte Männer in wadenlangen Lap-Laps mit bloßem Oberkörper, die verbliebenen Zähne schwarz, das graue Haar starr vom Kopf abstehend. Junge Frauen, die ihre schreienden Babys in den Armen wiegten, und dazwischen Kinder, die von den Eltern angezischt wurden, wenn sie zu wild durch den Gang rannten. Lambert grüßte hier und dort jemanden und machte bei zwei, drei Patienten kurz halt und wechselte ein paar Worte mit ihnen, die Katja nicht verstand. Lambert beherrschte offenbar die Landessprache. Sie war beeindruckt. Er drehte sich nach ihr um und winkte sie mit dem Finger zu sich heran. Sie trat neben ihn und folgte seinem Blick auf eine Frau, die, gegen die kahle Wand gelehnt, einen Säugling in den Armen hielt. Katja schätzte die junge Frau auf Anfang zwanzig. Wie die anderen Frauen, die auf die Untersuchung warteten, trug sie ein buntbedrucktes Kleid mit Blumenmuster, das Haar stand ihr wirr vom Kopf ab.
»Das ist Sunani. Ihr Sohn behält die Muttermilch nicht immer bei sich. An sich kein Problem, sie muss nur gelegentlich von uns hören, dass ihr Sohn ausreichend Nahrung aufnimmt. Sie ist lieber hier als zu Hause.« Katja schaute ihn fragend an. Er hob kaum merklich sein kantiges Kinn in Richtung der Frau. »Sehen Sie die Schwellung unter ihrem Auge?« Er wartete einen Moment, ehe er fortfuhr. »Der liebende Gatte.« Katja runzelte besorgt die Stirn, doch Lambert reagierte nicht darauf. »Wollen Sie Sunani hallo sagen? Es würde sie freuen. Wenn Sie hier arbeiten wollen, sollten Sie mindestens ein paar Brocken Tok Pisin beherrschen, mehr wäre besser. Das ist Ihnen doch hoffentlich klar, oder?«
Katja war wie vom Donner gerührt. Wie kam Lambert nur darauf, dass sie hier arbeiten wollte? Hatte ihm Pfarrer Reuter etwa diesen falschen Eindruck vermittelt? Natürlich, wer sonst. Sie kannte ja niemand anderen hier.
Gerade öffnete sie die Lippen, um zu protestieren, doch noch bevor sie einen Ton äußern konnte, zog Lambert sie am Ellbogen näher zu der jungen Frau. »Sprechen Sie mir fürs Erste einfach nach: Gude. «
»Gude?« Wollte er sie etwa hochnehmen?
» Gude heißt hallo «, sagte er. » Mi amamas long mitim yu. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
Zögernd wiederholte sie die fremden Worte, und das Gesicht der Frau mit
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