Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Papua verdächtigt, verhext und von irgendwelchen Geistern besessen zu sein. Dabei trifft es immer die Schwachen. Leute, die sich nicht mehr wehren können. Aidskranke zum Beispiel – in einem Land, das laut Amnesty International die höchste Aidsrate im pazifischen Raum aufweist. Tragisch, dass in den Dörfern des Hochlands kaum einer von dieser Krankheit weiß, geschweige denn etwas darüber, wie sie übertragen wird. Stattdessen werden böse Geister für alles Leid oder Unerklärliche verantwortlich gemacht.«
»Danke für den Vortrag, Doktor. Zu einer anderen Gelegenheit wäre er mir auch sehr willkommen, aber jetzt will ich eigentlich nur wissen, warum keiner auf dieser Insel mit mir spricht.« Katja klang ironisch, und Lambert hörte auf zu reden.
»Okay, wollen Sie wissen, was ich denke?«, fragte Takari. »Im Prinzip stimmt, was der Doktor sagt. In Papua-Neuguinea sind sehr viele Menschen vom Sanguma befallen.« Lambert schüttelte den Kopf, so als wäre Takari ein hoffnungsloser Fall.
Takari sprach unbeeindruckt weiter: »Manchmal sogar von mehr als nur einem bösen Geist. Bis zu sieben können in einem einzigen Körper hausen. Das sind die ganz schweren Fälle. Wir nennen sie Spirit Queens. «
Katja wurde langsam ungeduldig, denn Takari tat nichts anderes als Lambert. Er dozierte. »Das hört sich alles ungemein interessant an, aber was hat das mit mir zu tun?«
Takari wackelte unschlüssig mit dem Kopf, so als müsse er sorgfältig abwägen, wie viel an Information er der weißen Frau zumuten könne.
»Besessenheit«, sagte Takari schließlich, den Blick auf den Boden geheftet, »Besessenheit wird auch vererbt.« Langsam, wie in Zeitlupe, schaute er auf, so als fürchte er Katjas Reaktion. Diese sog scharf die Luft ein und richtete sich kerzengerade auf.
»Wollen Sie mir weismachen, dass einer meiner Vorfahren von bösen Geistern besessen war? Und weil er nie von ihnen befreit wurde, trage ich sie noch in mir?«
Takari schwieg beharrlich.
»Wenn das alles nicht so traurig wäre, könnte ich mich die ganze Nacht hindurch darüber amüsieren«, fuhr Katja in scharfem Tonfall fort. »So aber frage ich mich, was das heißen soll. Was macht ihr denn mit so einer …«
»Spirit Queen«, half Takari aus und kam hinter der Rezeptionstheke hervor.
»Genau. Was stellt ihr mit ihr an?« Sie lachte auf, doch im Grunde war ihr unheimlich zumute. Sie war zwar nicht abergläubisch, doch sie konnte diese Zauberei auch nicht ganz so leicht abtun wie Lambert.
»Einer Spirit Queen kann man nur beikommen, indem man der Besessenen einen glühenden Eisenpfahl in die Scheide rammt. Dann fliegen die Geister durch den Mund nach draußen.«
Katja wurde blass. Lambert trat Takari vors Schienbein, der sogleich aufheulte und sich ans Bein fasste.
»Was soll das, Mann?«, fragte er mit gequältem Gesichtsausdruck. Lambert funkelte ihn an.
»Genug, Takari!« Dann wandte er sich an Katja. »Hören Sie doch nicht auf diesen vorsintflutlichen Unsinn. Nur weil die Papua an diese Dinge glauben, heißt es noch lange nicht, dass sie auch nur im Ansatz wahr sind.«
Katja verschränkte die Arme vor der Brust und schenkte Lambert einen eindringlichen Blick.
»Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass ich diesem Aberglauben aufsitzen könnte? Ich bin Wissenschaftlerin genau wie Sie. Schon vergessen?«
»Natürlich nicht. Aber Papua ist eine andere Welt. Sie wären nicht die Erste, die sich dem Sog dieser Kultur nicht entziehen könnte.«
»Nicht ganz so schnell, bitte. Takari hat mir noch nicht auf meine Frage geantwortet.« Sie beugte sich vor, um Takari besser ins Gesicht sehen zu können. »Glauben Ihre Leute etwa, ich sei eine Spirit Queen? «
Takari räusperte sich und hielt sich die Faust vor den Mund. »Ich weiß es nicht. Da müsste ich erst ein paar Leute fragen, denen ich vertraue.«
»Warum diese Geheimnistuerei?«
»Ich will keine schlafenden Hunde wecken, das ist alles.« Eine Reisegruppe näherte sich der Rezeption, und Takari entschuldigte sich. Lambert schob Katja am Ellbogen zur Sitzgruppe hinüber. Sie ließen sich in die Sessel sinken.
»Katja, Sie dürfen nicht zu nachsichtig sein, was diesen Aberglauben der Papua anbelangt. Jährlich werden mehr als hundert Menschen, zumeist Frauen, allein aufgrund des Verdachts der Hexerei von ihren eigenen Angehörigen getötet. Allesamt unschuldige Opfer.«
Katja lehnte sich in ihrem Sessel zurück, die Lehne knarzte.
»Sie meinen, Papua töten ihre Mitmenschen
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