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Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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die der heiße Wind, der aus der Wüste kam, ihr ins Gesicht geblasen hatte. Sie trank einen Schluck Wasser aus der Blechtasse, die sie mit beiden Händen umfasst hielt. Für das Essen zu sorgen gehörte eigentlich nicht zu ihren Aufgaben, doch während der Tage der Viehzählung war alles anders. Jeder musste anpacken und dort mithelfen, wo Not am Mann war. Für Johanna bedeutete dies zusätzliche Morgenschichten in der Küche, doch sie nahm die ungeliebte Arbeit widerspruchslos hin.
    Als sie vor acht Jahren ihr Leben auf der Farm begonnen hatte, war sie mit Bill schnell übereingekommen, dass sie etwas anderes machen wollte, als nur den Haushalt zu besorgen. Bill unterstützte ihre Pläne, stellte einen Koch ein, und Johanna begann, die Kinder der benachbarten Farmen zu unterrichten. Die nächstbeste Schule war meilenweit entfernt und nicht für jede Familie zu erreichen. Außerdem half Johanna, die staubige Ansammlung von Häusern, die sich Mt. Isa nannte, langsam in etwas zu verwandeln, das mit einer Stadt Ähnlichkeit hatte. Johanna war Teil einer Kirchengruppe, die sich für den Bau eines Gemeindehauses einsetzte. Nebenher kümmerte sie sich um den Aufbau einer Bibliothek. Ragtag nannten die Australier diese rauhen Orte, die im Outback beinahe über Nacht wie Pilze aus dem Boden schießen konnten. Johanna übersetzte das Wort mit zwielichtig und fand, dass diese Bezeichnung Mt. Isa noch schmeichelte.
    Auch in der neuen Umgebung war es ihr nicht weiter schwergefallen, Freunde zu finden. Sie mochte den trockenen Humor der Viehzüchter, umgekehrt schätzte man ihre etwas andere Art, wie die Nachbarin sich Johanna gegenüber einmal vorsichtig ausgedrückt hatte. Das Deutsche eben: Pünktlichkeit, Sauberkeit, Ordnungssinn. Alles das, was in Johannas Augen ganz selbstverständlich zu ihrer Person gehörte. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, in diesen Eigenschaften das Klischee wiederzuerkennen, das man in Australien für die Deutschen parat hielt. Tatsächlich war sie sehr erstaunt, welche Vielfalt an Menschen sich im tiefsten Outback zusammengefunden hatte. Ein paar schräge Vögel waren vor ihren Gläubigern geflüchtet und hofften darauf, dass man sie hier nicht so schnell finden würde; wieder andere hatte man vom Hof gejagt, weil sie angeblich zu nichts anderem taugten, als den Lohn im nächsten Pub zu versaufen. Abgesehen von der ein oder anderen komischen Gestalt siedelten sich hauptsächlich junge Familien an, die versuchten, aus dem Nichts eine Existenz aus dem Boden zu stampfen. Und dann gab es die, die schon immer da gewesen waren: Aborigines, die seit Jahrtausenden mit ihren Stämmen auf diesem trockenen Land lebten.
    Johanna nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Becher und stellte ihn neben sich ab. Sie dachte oft an früher, an Papua-Neuguinea. Dann tauchten sie wieder vor ihrem inneren Auge auf: verschwommene Bilder ihres alten Lebens. Von Phebe, den Tolai, den deutschen Beamten. Palmen, die sich sanft im Wind bewegten, bunt gefiederte Vögel, die krächzend aus den Bäumen auffuhren. Das alles war Vergangenheit. Stattdessen nun also rote Erde, trockene Hitze, Dürre.
    Johanna wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. Es hatte keinen Sinn, dem Alten länger nachzuhängen. Das Leben ging weiter, es ging immer weiter. Sicher, ihr Sohn Martin war schon vierundzwanzig und lebte in Brisbane, aber die Farm war sein Zuhause, und das wollte sie ihm erhalten.
    Bill war nun sechsundfünfzig Jahre alt, und es war für ihn schwieriger geworden, eine Viehzucht dieser Größenordnung zu leiten. Nicht, dass er dies zugeben würde. Johanna lächelte bei dem Gedanken und schüttelte leicht den Kopf. Ihr Mann war noch immer sehr aktiv, doch sein Körper konnte nicht mehr wie früher jeden Schlag verkraften. Gerade erst letzte Woche hatte ihn einer der alten Bullen erwischt, der ihn vielleicht sogar getötet hätte, wären da nicht seine Männer gewesen. Der Vorfall war ihm hinterher außerordentlich peinlich, und seine Männer genossen es, ihn damit bei jeder Gelegenheit aufzuziehen.
    Obwohl sie schon längst wieder in der Küche sein wollte, saß Johanna immer noch auf den Verandastufen und beobachtete Bill, wie er aus dem Haus ging und auf sein Pferd stieg. Es war offensichtlich, dass er Schmerzen hatte. Sie kannte ihren Mann. Wie die meisten Kerle, die versuchten, sich und ihre Familien von diesem harschen Land zu ernähren, tat er alle Beschwerden als Nichtigkeiten ab. Wie oft hatte sie schon versucht, ihn zu

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