Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Gleichzeitig beobachtete Tommy alle drei. Die Situation war merkwürdig gespannt. Die Männer hatten die Bedrohung erfasst, die in der Luft hing, wie Johanna erleichtert erkannte.
»Alles in Ordnung, Darling?«
Johanna schluckte, nickte. Sie wollte, dass Heinrich ging.
»Alles in Ordnung«, bestätigte sie mit gepresster Stimme. »Der junge Mann hier ist ursprünglich aus Papua-Neuguinea und hat sich an Martin und mich erinnert. Leider kann er nicht bleiben, er muss gleich weiter.«
Sie schwiegen; selbst die Hunde waren still. Wieder schaute Johanna zu ihrem Mann hinüber. Er sah entschlossen aus, und selbst Heinrich konnte das nicht verborgen geblieben sein.
Dann ging plötzlich alles ganz schnell, obwohl es Johanna im Nachhinein so vorkam, als hätte sich das Geschehen vor ihr in Zeitlupe abgespielt.
Bill drehte den Kopf zu Heinrich.
»Verpiss dich!«, blaffte er ihn in einem Ton voller Verachtung und Missbilligung an.
Heinrich, der anscheinend nur über ein oberflächliches Maß an Selbstkontrolle verfügte, landete blitzschnell einen linken Haken unterhalb von Bills Kinn. Gleichzeitig stieß er seine Rechte mit voller Wucht in Bills Mitte. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und langte nach Tommy, doch der duckte sich rechtzeitig weg. Holly hing längst an Heinrichs Hosenbein, fasste nach und stieß ihre Zähne in seine Wade. Heinrich heulte auf, griff in die Innentasche seiner Jacke, und noch bevor jemand begriff, was eigentlich vor sich ging, hatte er Holly mit einem Schuss getötet. Heinrich hielt die Pistole hoch und richtete sie aufreizend langsam auf Johannas Stirn.
»Erinnere dich an meine Worte. Heute war es nur der Hund. Ein Wort, und du bist genauso mausetot wie euer dreckiger Köter.« Er trat dem toten Tier mit dem Stiefelabsatz in den Bauch.
Johanna schrie auf und schlug die Hände vors Gesicht. Bill, der sich am Pfosten festhielt, machte Anstalten, sich auf Heinrich zu stürzen, doch Tommy hielt ihn am Arm fest. Den Blick fest auf die Männer geheftet, ging Heinrich langsam rückwärts zu seinem Wagen, die Waffe die ganze Zeit im Anschlag, ließ sich hinters Steuer fallen, drehte den Schlüssel im Zündschloss und gab so viel Gas, dass die trockene Erde unter den schwarz-weißen Reifen wie roter Rauch in den blauen Himmel aufstieg. Tommy rannte ihm noch mit dem Speer hinterher, den er für Situationen wie diese hinter der Sitzbank auf der Veranda verborgen hatte, doch es war zu spät. Der Aborigine sah dem Auto nach, dann drehte er sich um und lief zu Johanna, die neben Bill in die Knie gegangen war und seine Hand hielt. Er lag ausgestreckt auf der Veranda, keuchend vor Schmerz.
Die nächsten zwei Tage verbrachte Johanna an Bills Bett. Sie hatte, gleich nachdem Heinrich verschwunden war, den Arzt gerufen, doch als dieser am nächsten Tag endlich eintraf, war nur noch wenig Kraft in Bill. Er litt an inneren Blutungen, und der Doktor sagte, er könne nichts mehr für ihn tun.
Am dritten Tag starb Bill.
In der Zeit vor Bills Tod, als Johanna an seiner Seite gesessen hatte, spielte sie die Szene in ihrem Kopf wieder und wieder durch. Hätte sie irgendetwas tun können, um den Angriff abzuwenden? Tommy hatte ihr hinterher erzählt, dass Heinrich der Teufel sei, ein wahrhaft Verfluchter. Schon als sie dabei waren, von ihren Pferden abzusteigen, erzählte er ihr, hätte er das Böse gespürt. Tommy war untröstlich, dass er Bill nicht hatte retten können, zumal er das Unglück geahnt habe. Er habe es förmlich riechen können, fügte er hinzu.
Johanna dachte an das Rasierwasser und schüttelte sich. Sandelholz und Bergamotte. Roch so der Teufel?
Johanna weinte, bis sie keine Tränen mehr hatte. Sie glaubte nicht, dass sie diesen fürchterlichen Verlust jemals verwinden würde. Nicht dieses Mal, nicht Bill.
Als die Tage vergingen und sie wie jeden Abend mit einem Becher Tee auf der Veranda saß, wusste sie plötzlich, dass Bills Tod neben vielen anderen Dingen etwas Grundsätzliches in ihrem Leben verändert hatte: Ihre Zeit in Australien war vorbei. Und sie würde kein Wort mehr zu irgendjemandem über den Tod ihres Mannes verlieren. Heinrich war gefährlich, das hatte sie begriffen.
Rabaul, 2011
T akari hatte Katja am Flughafen von Rabaul abgeholt und setzte sie auf ihren Wunsch hin in Kuradui ab. Katja seufzte zufrieden, als der hellblaue Transporter endlich vor ihrer Haustür hielt. Es fühlte sich schon jetzt so an, als wäre sie nach Hause gekommen.
»Wann wollen Sie sich
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