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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Aufblitzen ihrer Axt und ihr Haar, das flackerte wie eine Flamme im Wind. Seine Finger schmerzten höllisch, was möglicherweise daran lag, dass Maui sie mit aller Kraft aufbog.
    »Lass endlich los, Tobbs!«, befahl er mit ruhiger Stimme, während sich hinter ihm ein weiteres Gebirge von wütenden Tentakeln erhob.
    »Wanja!«, schrie Tobbs und hustete.
    Maui schlug Tobbs so grob auf die Finger, dass ein heißer Schmerz ihn durchzuckte. Hinter ihm schoss eine regenbogenfarbige Woge heran, eine gläserne Wand, die die Tür zerschmettern würde. »Leb wohl«, sagte der Vermittler und lächelte flüchtig. Dann spülte das unbarmherzige Wasser Tobbs über die Schwelle und drückte mit einem berstenden Krachen die Tür zu.

ZAPPELFISCHE
    Tobbs trudelte wieder, während ein eklig schleimiger Fischkörper ihm über das Gesicht glitschte. Sein Arm, der Anguana hielt, war schon gefühllos, und wo der Schatz sein mochte, wussten nur die Götter allein. Und während er trudelte, sah er immer noch Mauis Gesicht vor sich. Er hätte schwören können, dass der Vermittler ihm für den Bruchteil einer Sekunde verschmitzt zugezwinkert hatte. Und er war sich ziemlich sicher, dass der Krake, der Wanja ergriffen hatte, an den Spitzen der Tentakel verdächtig durchsichtig ausgesehen hatte.
    Das Wasser verebbte so schnell, wie es gekommen war, und ließ nur Strandgut übrig: die Splitter der zerschlagenen Weltentür, mehrere leuchtend orangefarbene Fische mit weißen Streifen, die auf grauem Fels zappelten – und ein Stück abgetrenntes Tentakel, das hin und her hüpfte wie eine Schlange mit Schluckauf, bis es nach einer Weile ruhiger wurde und schließlich schlaff neben dem nassen Bündel liegen blieb, das Anguana aus der Schatztruhe gestohlen hatte.
    Tobbs ächzte, als er einen Stein im Rücken fühlte, aber er wagte nicht, sich zu bewegen. Anguanas Kopf lag auf seiner Brust, ihr hellgrün verfärbtes, nasses Haar bedeckte den Felsboden. Er umarmte sie ganz fest und war unendlich erleichtert, als er spürte, dass sie atmete.
    »Anguana!« Sein Atem bildete eine weiße Wolke in der kalten Abenddämmerung. »Wir sind endlich zu Hause!«
    Anguana regte sich und schlug die Augen auf. Immer noch war ihre Haut grünlich, aber als sie sich nun in Tobbs’ Armen wiederfand, wechselte das Grün zu einer schwachen Röte. Ungläubig blinzelte sie zunächst einen zappelnden Fisch an, dann die Felskante, auf der sie lagen, und dann die Berge. Schließlich lächelte sie schief, während sie versuchte, sich aufzusetzen. »Mir ist ziemlich schlecht«, flüsterte sie. »Das Ding, das mich gefressen hat, war wohl giftig.«
    »Es … tut mir … leid, Anguana«, stammelte Tobbs. »Ich hätte dich nicht in Gefahr bringen dürfen. Und … entschuldige, dass ich dich angeschrien habe.«
    Anguana hustete und schloss die Augen. »Ich muss gehen«, sagte sie und wurde wieder grün wie ein Salatblatt.
    Im Gebirgsbach erhob sich eine Quellnymphe aus den Fluten und schlug erschrocken die Hand auf den Mund. Sie stieß einen schrillen Schrei aus, der Tobbs eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Nymphe um Nymphe kam herbei, schlug die Hände über dem Kopf zusammen, begann zu klagen und schreien, bis das Echo vielfach in den Bergen widerhallte. Die Nymphen kletterten an Land und stürzten auf ihn zu. Tobbs ließ es zu, dass sie ihm Anguana aus den Armen zogen und dabei zeterten und ihn beschimpften. Das Letzte, was er von Anguana sah, war ihr grünes Haar, das im Wasser des Quellbachs verschwand.
    Tobbs erreichte die Taverne in der Dunkelheit der kühlen Bergnacht. Nach sechs Stunden Wanderung in der Kälte hatte er das Gefühl, vor Erschöpfung sterben zu müssen. Das schwere, nasse Bündel wog immer noch mindestens eine Tonne, aber um nichts in der Welt hätte er es losgelassen. Es gehörte ihm. Inzwischen nieste er ununterbrochen und klapperte mit den Zähnen, seine Zehen spürte er vor Kälte längst nicht mehr.
    Aber nun hatte er es endlich geschafft. Tobbs blieb stehen und atmete auf. Sein Zuhause! Noch nie hatte er den Anblick so sehr geliebt wie heute: Das Dach der Taverne reichte fast bis zum Boden, niemand hätte etwas anderes darunter vermutet als ein ländliches Gasthaus. Nun, natürlich passte es nicht ins Bild, dass ein Teil des Dachs so aussah, als hätte es jemand aus dem Gehöft herausgesprengt. Die Reparaturarbeiten an Tobbs’ Dachkammer waren nicht weiter fortgeschritten, er würde noch eine ganze Weile im Stall schlafen müssen, bis sein

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