Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
bestand, setzten sich die Sadduzäer aus der „Priesterkaste“ zusammen, die streng auf die Einhaltung des mosaischen Gesetzes achtete. Absolute Autorität hatte für sie nur die Tora, d. h. die fünf Bücher Mose. Daneben gab es noch die Propheten und die übrigen Schriften. Letztere wurden geschätzt, hatten aber keine absolut verbindliche kanonische Geltung. Die Makkabäerbücher, das Buch Baruch, Judith, Tobias, Zusätze zu Daniel und Esther, das 3. Esrabuch, Jesus Sirach, der Brief des Jeremias, das Gebet des Manasses sowie das Buch der Weisheit, die alle erst nach dem 3. Jahrhundert v. Chr. entstanden, waren wegen ihres schwierigen Inhalts vom öffentlichen Gebrauch ausgeschlossen, nicht aber vom Kanon. Das Buch der Weisheit wurde vermutlich erst Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr verfasst. Es ist damit das jüngste Buch des Alten Testaments. Diese Bücher finden sich nur in der Griechischen, nicht aber in der Hebräischen Bibel. Man bezeichnet sie als deuterokanonische Bücher, weil sie einem zweiten Kanon angehören.
Die Hebräische Bibel wurde im strengen Sinne des Wortes nie kanonisiert. Anders als im Christentum alter Prägung gibt es im Judentum keine Zentralinstanz, die eine Kanonentscheidung überhaupt hätte herbeiführen können. Und dennoch zeichnet sich ab dem Ende des 1. Jahrhunderts die ausschließliche Anerkennung der Hebräischen Bibel im Judentum ab. So nennt z. B. der jüdische Schriftsteller Flavius Josephus, der um 100 n. Chr. starb, eine klar abgegrenzte Büchergruppe, nämlich die Bücher der Hebräischen Bibel, Heilige Schrift. Dass diese allgemein im Judentum akzeptiert wurden, hatte im Wesentlichen drei Gründe. Bedingt durch die Zerstörung Israels als nationale Einheit durch Rom blieb den Juden nur noch die Schrift zur Wahrung ihrerreligiösen Einheit. Die religiöse Vielheit, die man sich in Israel leisten konnte, wurde nun der Einheit geopfert, um wenigstens das Überleben Israels im Glauben zu sichern. Die Vereinnahmung der Septuaginta durch das junge Christentum sowie die Entstehung einer Vielzahl neuer Schriften im Bereich der jüdischen Apokalyptik, die die Glaubensvorstellungen fremder Religionen enthielten und dadurch die Reinheit des jüdischen Glaubens gefährdeten, spielten ebenfalls eine Rolle für diesen Vereinheitlichungsprozess. Es waren offenbar die Pharisäer, die nach der Eroberung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. die Hebräische Bibel als Heilige Schrift des Judentums ansahen und sich mit ihrer Auffassung zuerst gegen die Sadduzäer, später allgemein durchsetzen konnten. Lange hat man geglaubt, dass auf einer Synode in Jamnia (Jafne) das pharisäisch geprägte Judentum eine Kanonentscheidung zugunsten der Hebräischen Bibel getroffen habe. Doch ist diese Kanonentscheidung wie die Synode selbst nichts weiter als ein Mythos der Geschichtsforschung. Eine regelrechte Synode scheint dort nicht stattgefunden zu haben und dass über den Kanon der Bücher der Heiligen Schrift entschieden wurde, beruht auf einer Fehlinterpretation der entsprechenden Stellen, die im Talmud von den Diskussionen der Ältesten in Jamnia handeln.
Schon in den Werken, die später das Neue Testament bildeten, zeigt sich demgegenüber eine größere Offenheit in der Frage, was denn Heilige Schrift sei. Wenn aus „der Schrift“ zitiert wurde, dann ohne Unterschied, ob es sich dabei nach späterem christlichen Verständnis um deuterokanonische oder kanonische Werke handelte. Ja, im NT selbst gibt es sogar Zitate, die sich weder auf die Hebräische noch auf die Griechische Bibel beziehen, sondern aus den nachmaligen Apokryphen stammen. Welche Schriften des Alten Testaments verbindlich waren, hing unter anderem von den einzelnen Regionen und Gemeinden ab. Erst ab der Mitte des 2. Jahrhunderts machte man sich auch im Christentum Gedanken, welche Schriften zum Kanon des Alten Testaments gehören sollten. Der Gebrauch des Alten Testaments in der frühen Kirche folgte ähnlichen Regeln wie der, der neu entstandenen christlichen Schriften. Gültig war, was der obersten Norm entsprach. Aber bereits Ende des 2. und zu Beginn des 3. Jahrhunderts lässt sich im Christentum ein zweigeteilter Kanon, bestehend aus Altemund Neuem Testament, feststellen. Mit Melito von Sardes zeigt sich Ende des 2. Jahrhunderts auch im Christentum eine Tendenz, dem jüdischen Kanonverständnis zu folgen. Für den jüdischen Kanon des Alten Testaments sprechen sich unter anderem Origines, Eusebius von Cäsarea, Cyrill von
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