Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
womit mein Gewissen leben kann.
    Wer ist die Frau, überlegte er weiter. Niemand scheint sie zu kennen. Ob sie eine Fremde war, nur auf Durchreise in der Stadt? Aber keine Frau reist allein. Schon gar nicht kurz vor der Niederkunft. Wir hätten gehört, wenn jemand eine Fremde vermisst. Gleichwohl werde ich morgen den Schreiber in die Herbergen schicken. Fragen soll er, ob die etwas gesehen oder gehört haben. Vielleicht ist es aber auch eine Frau, die sich irgendwo versteckt gehalten hat. Jemand, dessen Schwangerschaft nicht entdeckt werden sollte. Am Ende wollte die junge Frau das Kind womöglich nicht und hat sich, aus Angst vor der Schande, selbst gerichtet. Aber wie kam dann die Ausweidung zustande? Und warum war sie ausgeweidet worden? Hat da jemand ihre Innereien zu irgendetwas benötigt? Und wenn ja, wozu? Oder haben Tiere sie tot irgendwo gefunden, sie aufgebrochen und ihre Leiche zum Main geschleppt? Hat sich der Leichenbeschauer geirrt, als er von einem Schnitt gesprochen hat? Kann ein Tier mit seinen Reißzähnen einen Menschenleib so aufschlitzen?
    Und was, in aller Welt, hatte es zu bedeuten, dass ein Stück der Kopfschwarte fehlte?
    Plötzlich blitzte in seinem Hirn ein Gedanke auf. Blettner erstarrte mit der Weinkanne in der Hand, fieberhaft bemüht, den Gedanken zu fassen. Doch vergeblich. Der Lärm in der Schankstube war einfach zu groß, um sich konzentrieren zu können.
    Blettner seufzte. Er dachte an die Worte des Schultheißen, der ihm befohlen hatte, den Fall zu den Akten zu legen. Vielleicht, dachte der Richter, ist das wirklich am besten so. Zumindest vermeiden wir dann eine Panik unter der Bevölkerung. Ich werde gleich morgen den Leichenbeschauer fragen, ob die fehlenden Innereien auch ein Tier gefressen haben könnte. Ja, es wäre mir wahrhaftig lieber, ich hätte eine Erklärung, damit ich den Fall mit gutem Gewissen abschließen kann.
    Er stand auf, legte dem Mädchen ein paar Kreuzer für den Wein auf den Tisch. Da überfiel ihn wieder etwas, von dem er wusste, dass es wichtig war. In seinem Hirn arbeitete es. Doch wieder versickerte der Einfall, noch ehe er sich in sein Bewusstsein vorarbeiten konnte. Ich bin müde, dachte der Richter. Müde und hungrig. Es wird Zeit, dass ich ins Pfarrhaus gehe. Gustelies wird gut gekocht haben. Womöglich fällt mir nach dem Essen noch etwas ein.
     
    Schon im Flur des Pfarrhauses duftete es nach Gebratenem. Blettner rieb sich die Hände. Sein Missmut versiegte.
    Mit einem Lächeln auf dem Gesicht öffnete er die Küchentür.
    «Guten Abend allerseits.»
    Hella sprang auf, schlang die Arme um den Hals ihres Mannes und gab ihm einen Kuss. «Puh!», rief sie aus. «Du stinkst nach Wein. Das heißt, dein Fall steckt in einer Sackgasse. Du weißt also nicht, wer die tote Frau vom Main ist?»
    Verblüfft schob Blettner seine Frau von sich und sah zu Gustelies. «Hast du ihr etwa davon erzählt?»
    Gustelies zog ein empörtes Gesicht. «Kein Sterbenswörtchen.» Sie tauchte den Holzlöffel in die Pfanne, kratzte ein wenig darin herum und kostete, dann fuhr sie fort: «Du kannst mich zwar zum Stillschweigen verdonnern, aber nicht eine ganze Stadt.»
    «Von wem weißt du es?», fragte Heinz sein Weib.
    «Von der Magd. Sie war am Brunnen. Dort hat sie es erfahren. Also, sag schon, wer ist die Frau?»
    Blettner schüttelte den Kopf. «Ich weiß es nicht. Ich habe nicht die leiseste Ahnung.»
    Er setzte sich auf die Küchenbank und wandte sich an den Pater. «Und, wie geht es dir? Ich habe gehört, du bist krank.»
    «Ach.» Pater Nau wedelte mit der Hand. «Krank oder nicht, die Menschen brauchen meinen Beistand in einer Zeit, in der die Erde in Frevlerhand ist.»
    «Wie wahr, wie wahr.» Blettner nickte nachdenklich. «Aber um diesen Fall müssen wir uns nicht länger bekümmern. Krafft von Elckershausen hat angeordnet, die Akten zu schließen. Er meint, für den Tod der Unbekannten gäbe es mit Sicherheit eine natürliche … äh … ich meine, eine erklärbare Ursache. Ende der Geschichte.»
    «Und du glaubst ihm?» Gustelies tischte saure Leber mit Erbsmus auf.
    «Was soll ich tun? Was ich glaube, ist völlig unerheblich. Der Schultheiß ist der oberste Richter der Stadt. Wenn er bestimmt, dass der Fall abgeschlossen ist, dann ist das so.»
    Als die Teller abgeräumt waren und der Wein auf dem Tisch stand, verschränkte Gustelies die Arme vor der Brust und sah ihren Schwiegersohn unverwandt an. «Was hast du herausgefunden?»
    Blettner zog die Augenbrauen

Weitere Kostenlose Bücher