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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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gesamten Platz: «Ist es wahr, meine Liebe, dass man deinen Bruder ins Verlies gesperrt hat? Ist er wirklich ein Mörder?»
    Gustelies runzelte die Stirn. Warum, Herr, hast du die arme Schwangere zu dir gerufen, fragte sie stumm, wo doch Klärchen Gaube viel mehr im Saft steht?
    Dann wandte sie sich an ihre Erzfeindin. «Das ist ein Versehen. Der Pater wurde zum Verhör bestellt. Heute Mittag ist er wieder zu Hause.»
    Die gute Haut stellte ihren Weidenkorb auf den Boden und verschränkte die Arme vor der Brust. «Da habe ich aber anderes gehört. Er soll ein halbes Dutzend Frauen umgebracht haben.»
    Die gute Haut hatte so laut geflüstert, dass jede Magd, jede Krämerin im Umkreis aufmerksam geworden war. «Er hat ihnen die Eingeweide herausgeschnitten, heißt es.»
    «Ist das wahr?»
    «Unser Pater?»
    «Das kann ich mir gar nicht vorstellen!»
    Von allen Seiten drängten die Frauen auf Gustelies zu. Ihre Stimmen vermischten sich zu einem Summen wie in einem Bienenkorb. Gustelies schloss kurz die Augen. Dann atmete sie einmal tief durch und erklärte mit entschlossener Miene: «Ihr alle kennt Pater Nau. Könnt ihr euch vorstellen, dass dieser aufrechte Mann jemandem etwas zuleide tun könnte?»
    Die Frauen verstummten, sahen verlegen auf den Boden. Eine scharrte mit der Schuhspitze im Dreck, eine andere knüpfte die Bänder an ihrer Haube neu.
    «Was ist? Warum schweigt ihr?» Gustelies betrachtete eine nach der anderen, und jede wich ihrem Blick aus.
    «Was denn, verdammt noch eins?»
    Die gute Haut schob ihren Busen ein Stück nach vorn. «Na ja, die guten Frauen hier fragen sich schon, warum du in jedem Jahr den Kuchenwettbewerb gewonnen hast. Es waren Zutaten in deinen Backwaren, die niemand kannte. Es ist nicht normal, dass ein Kuchen so gut schmeckt und im Nachhinein noch glücklich macht.»
    Gustelies’ Kinnlade sackte nach unten. Ihr war, als würde ihr die Luft abgedreht. «Was?», fragte sie entgeistert. «Was sagst du da?»
    Die gute Haut trat einen Schritt zurück. «Ich sage nur, was alle denken. Mit deinen Kuchen stimmt etwas nicht. Und ich werde ganz gewiss am Ostersonntag nichts von dem essen, was du hergestellt hast.»
    Gustelies schüttelte sich, als wäre sie in einen Gewitterguss gekommen. «Ihr glaubt also ernsthaft, der Pater sei schon länger ein heimlicher Frauenmörder, und ich habe irgendwas aus den Körperteilen in meinem Kuchen verbacken?»
    Die Frau mit der Haube zuckte mit den Achseln. «Möglich ist alles. Man hat doch schon von allerlei Elixieren gehört», raunte sie. Gustelies packte sie beim Arm, zog sie ein Stück weg. «Das sagst ausgerechnet du, meine Liebe, ja? Du, die heulend in meiner Pfarrküche saß, weil dir die Lenden deines Alten nicht mehr genug glühten. Angefleht hast du mich nach einem Mittel.»
    «So war es», bestätigte die Frau. «Und du hast mir in Honig eingelegte Nüsse gegeben. Und siehe da, der Alte war plötzlich wieder so heiß wie ein Jungvermählter.»
    Gustelies stieß die Frau mit einem Knurren von sich. Dann sah sie in die Gesichter der anderen, die vor Sensationsgier ganz verzerrt waren. «Ihr seid von Sinnen», erklärte sie kraftlos. «Ganz und gar von Sinnen. Da ist selbst die heilige Hildegard machtlos.»
    Sie drehte sich um und ging mit langsamen, mühevollen Schritten über den Römer und hinauf zur Warte, in der sich das Verlies befand.
    Sie übergab dem Wächter den Korb mit ihren Einkäufen. «Wie geht es ihm?», fragte sie verzagt.
    Der Wächter lächelte. «Wie soll ich sagen? Gut geht es ihm. Ihr braucht Euch nicht zu sorgen.»
    Gustelies zog die Stirne kraus. «Wieso nicht sorgen? Was treibt er denn in seinem Verlies, mein Pater?»
    «Er singt.»
    «Er macht WAS ?»
    «Er singt. Küchenlieder, Gotteslob, Kindergesänge, alles eben.»
    «Pater Nau singt Küchen- und Kinderlieder?» Gustelies musste das wiederholen, um es selbst zu glauben.
    «So ist es, mein Liebe. Er sagt, so gut wie jetzt ging es ihm schon lange, lange nicht mehr. Ach, und Ihr sollt ihm sein Kopfkissen und die Bibel bringen.»
    «Kopfkissen und Bibel?»
    «Ja. Das sagte er.»
    Gustelies schüttelte den Kopf. «Ist denn die ganze Welt verrückt geworden?»

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 12
    A lso, erstens singt Pater Nau im Verlies Küchenlieder. Zweitens behauptet die gute Haut Klärchen Gaube, in meinem Kuchen wären Dinge, die da nicht hineingehören. Unaussprechliche Dinge. Drittens: Heinz, was haben die Ermittlungen ergeben? Viertens: Jutta, was hast du Neues

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