Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
Irgendetwas ist mir aufgefallen. Irgendetwas war, das mit unserem Fall zu tun haben könnte.»
«Was denn?», fragte Hella.
«Streng dich an», ermunterte Jutta.
«Herr im Himmel, zeig ihm den Weg», meinte Bruder Göck.
«Ich schenke dir noch einen Becher Wein ein, dann denkt es sich besser», erklärte Gustelies.
Heinz winkte ab. «Nein, nein. Ich brauche Ruhe. Hella, lass uns nach Hause gehen. Ich muss noch einmal meine Unterlagen durchsehen, vielleicht komme ich ja darauf.»
Alle am Tisch erhoben sich, holten ihre Umhänge. Schon in der Tür fiel Jutta Hinterer noch etwas ein. «Sag, Heinz, was hat der Leichenbeschauer noch über die Kopfschwarten gesagt? Konnte er abschätzen, wie alt die Frauen waren? Und ob sie vielleicht schwanger waren? Oder war nur die Tote vom Main in gesegneten Umständen?»
Heinz ließ die Schultern hängen. «Eddi Metzel kam nicht weit. Anhand der Haare, die kein bisschen Grau aufwiesen, ist er zu dem Schluss gekommen, dass die Opfer noch ziemlich jung gewesen sein müssen. Aufgrund der Länge geht er davon aus, dass es sich um Frauenhaar handelt. Mehr konnte er beim besten Willen nicht sagen.»
«Hat jemand an den Haaren gerochen?», wollte Jutta wissen.
Bruder Göck kicherte. «Wonach sollte denn Weiberhaar riechen? Nach Schwefel?»
«Ruhe, Antoniter. Am Geruch der Haare lässt sich so manches erkennen. Eine Frau, die in einer Backstube arbeitet, riecht natürlich nach Gebackenem. Eine Seifensiederin nach Seife. Eine ordentliche Patrizierin nach Rosenöl», erklärte Gustelies. «Allerdings bezweifle ich schon stark, dass Eddi diese Gerüche kennt.»
Blettner nickte nachdenklich. «Das klingt einleuchtend», erklärte er. «Vielleicht sollte man wahrhaftig ein Weib an den Kopfschwarten und dem Zopf schnuppern lassen.»
«Wo sind sie jetzt?», fragte Jutta.
«Im Haus des Henkers, wo denn sonst.»
«In Ordnung», erklärte Gustelies. «Wir kommen morgen am späten Vormittag zum Henkershaus. Sorge du, Heinz, dafür, dass wir zügig mit der Arbeit beginnen können.»
Heinz Blettner verdrehte leicht die Augen, dann nickte er.
Auf dem Heimweg war er still. Auch Hella schwieg. Sie hatten den Liebfrauenberg schon hinter sich gelassen, als Heinz schließlich kleinlaut fragte: «Regt dich das nicht alles viel zu sehr auf, meine Liebe?»
Hella blieb stehen, schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. «Nein», sagte sie dann. «Ganz im Gegenteil. Ich möchte helfen, diesen Fall aufzuklären. Es geht um Neugeborene. Es geht um Frauen, die womöglich so alt sind wie ich. Es ist mir ein Bedürfnis, etwas zu tun.»
«Aber du versprichst mir, dass du nichts machst, was dich gefährden könnte, nicht wahr? Ich gebe dir einen Büttel mit, wenn du morgen in die Vorstadt gehst.»
«Ich verspreche es.» Hella hob die Hand zum Schwur. «Und jetzt lass uns nach Hause gehen. Mir ist nach ein wenig menschlicher Nähe, wenn du weißt, was ich meine.»
«Und ob, mein Herz. Und ob.»
Heinz legte seinen Arm um Hellas Schulter und schob sie rasch weiter. Mittlerweile waren sie in die Hasengasse gelangt. Die Tür vom Roten Ochsen stand sperrangelweit offen. Geschrei drang heraus. Und Heinz Blettner blieb plötzlich stehen, als wäre er festgeklebt. «Das war es», murmelte er. «Genau das war es.»
Er schaute die Straße auf und ab und winkte schließlich einem Laufburschen.
«Zu Diensten, Herr.»
«Bring meine Frau nach Hause, Junge. Pass gut auf sie auf, hörst du. Und geh erst weiter, wenn du den Riegel im Schloss gehört hast. Verstanden?»
«Ja, Herr. Ich werde auf die Herrin achten wie auf mein eigenes Leben.»
Richter Blettner drückte dem jungen Mann ein Geldstück in die Hand.
«Was soll das denn jetzt?», fragte Hella aufgebracht. «Was hast du vor?»
«Ich muss noch einmal in die Schänke, mein Herz. Es dauert nicht lange. Aber es ist wichtig. Du weißt schon, der Gedanke im Hinterkopf.»
Hella nickte. Ohnehin wusste sie, dass sie ihren Mann jetzt nicht dazu bewegen konnte, sie nach Hause zu begleiten. Also küsste sie ihn auf den Mund und wandte sich an den Burschen. «Auf geht’s, wir müssen an der Ecke nach links abbiegen.»
Die Gaststube war so voll, dass sich Richter Blettner durch die Menge drängeln musste. Ganz hinten in einer Ecke fand er noch einen Platz. «Darf ich?», fragte er einen zahnlosen Greis, der fröhlich seinen Wein auf den Tisch sabberte.
«Aber immer doch, Herr. Wann gibt es in diesen Zeiten schon einmal etwas zu feiern.»
«Was wird
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