Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
gutes, nahrhaftes Ochsenblut. Hausfrauen, kauft Ochsenblut. Das stärkt dem Mann die Lenden und bringt Euch Freude.»
Blettner sah, wie Mutter Dollhaus eine Kanne vom Ochsenblut kaufte, er erblickte die Seifensiederin, die mit trauriger, trostloser
Miene hinter ihrem Stand mit den Seifen hockte, er beobachtete seine Schwiegermutter Gustelies, die sich anstellte, gute Butter
zu kaufen. Alles war so wie immer, dachte er, doch in seinem Inneren wusste Richter Blettner, dass der Schein trog.
Als er das Schankmädchen aus dem Roten Ochsen mit einem Korb voller Steckrüben sah, wusste er mit einem Male, was er zu tun hatte. Schnurstracks machte er sich auf den Weg ins Wirtshaus.
Dort traf er den Wirt, Eduard, der, ein Fuhrmannslied auf den Lippen, ein schweres Fass in sein Haus rollte.
«Wirt, auf ein Wort!», sprach ihn der Richter an.
Eduard hielt inne. «Was kann ich für Euch tun, Herr? Ist das nicht ein wunderschöner Tag?»
«Ja, ganz prächtig, Wirt. Und jetzt sagt mir, woher Ihr die Zwillinge habt.»
Eduard ließ das Fass los und schien nicht zu bemerken, dass es zurück auf die Straße rollte. «Woher sollen wir die Kinder haben? Gemacht habe ich sie, mit meinen Lenden, den eigenen. Geboren aus dem Schoße meiner Ricka.»
«Ja, ja, Ammenmärchen. Erzählt das Euren Saufnasen, aber nicht mir. Die Ricka war so wenig schwanger wie ich und Ihr. Aber Kinder habt Ihr nun doch. Also, Wirt, was habt Ihr dazu zu sagen?»
Eduard sah sich um. «Ist das ein Verhör, Richter? Habt Ihr einen Bescheid darüber?»
«Pfff», machte der Richter. «Habe ich nicht dabei, aber einen Bescheid könnt Ihr kriegen. Dazu die Büttel, die Euch dann gleich durch die Stadt aufs Amt führen. Im Augenblick bin ich aus alter Freundschaft hier.»
«Ja, ja, ist ja gut.» Der Wirt Eduard zog Blettner in den Hinterhof des Roten Ochsen. «Ich habe gleich gewusst, dass das nicht gutgeht. Keinen dicken Bauch und in der Schankstube gearbeitet bis zum letzten Tag. Und über Nacht die Zwillinge. Da muss man ja misstrauisch werden. Aber die Ricka, sie hat sich so sehr Kinder gewünscht, versteht Ihr? Und ich auch. Aber geklappt hat es nicht. Was, frage ich Euch, ist ein Wirt wert, der keinen Nachfolger hat, hä? Keinen roten Heller. Und als zuerst der eine Bub und dann der andere auf der Schwelle lagen, da haben wir’s für ein Zeichen des Herrn gehalten. Geschworen haben wir vor dem Altar in Liebfrauen, dass wir sie halten werden, als wären’s die eigenen.»
Eduard, ein stattlicher Mann, dem niemand in ganz Frankfurt etwas anhaben konnte, wirkte plötzlich klein und kraftlos. Blettner sah, wie seine Lippen zitterten. Der Wirt griff nach den Händen des Richters. «Blettner, alter Freund, lasst uns die Kinder, ich bitte Euch sehr. Die Ricka, sie ist so glücklich mit den beiden. Und ich bin es auch. Ich schwöre bei Gott, dass sie es gut haben werden. Zu aufrechten Christen werden wir sie erziehen. So wahr mir Gott helfe. Nehmt sie uns nicht.»
Blettner befreite sich aus dem Griff des Wirtes. «Jetzt mal der Reihe nach. Wie genau seid Ihr zu den Kindern gekommen?»
Der Wirt ließ sich auf dem Brunnenrand nieder. Er warf einen verzweifelten und zugleich liebevollen Blick hinauf zu einem Fenster, hinter dem Blettner Ricka und die Kinder vermutete. «In der Nacht, als Ihr die Leiche am Main gefunden habt, da hörten wir ein Greinen auf der Schwelle. Die Ricka dachte zuerst, es wäre eine Katze und wollte schon den Nachttopf aus dem Fenster leeren. Aber dann besann sie sich anders. ‹Es klingt wie ein Neugeborenes›, sagte sie zu mir. ‹Ach was›, erwiderte ich. ‹Das scheint dir nur so, weil du dir so sehr ein Kind wünschst. Selbst im Quieken eines Schweines hörst du schon Kindergebrüll.› – ‹Nein, nein, ich bin ganz sicher›, hat die Ricka geantwortet und mir die Pantoffeln zugeworfen. ‹Geh runter und sieh nach, ich bitte dich sehr›, hat sie gesagt. Und da bin ich in die Pantoffeln gestiegen und habe mich auf den Weg gemacht. Und dann, was soll ich sagen, da lag da dieses winzige Kind auf der Schwelle. Ganz rot war es im Gesicht, und geschrien hat es, als griffe der Teufel nach seiner Seele. Es war so klein, dass ich mich nicht getraut habe, es hochzunehmen. Aber da war schon die Ricka da. Sie hat’s hochgenommen und an ihren warmen Busen gedrückt. Und gleich hat sie es gezärtelt, als ob’s das eigene wär. Ich bin ein Mann, Richter, Ihr wisst es. Ein ganzer Kerl, aber ich sage Euch, der Anblick hätte mir beinahe
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