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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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auf der Küchenbank herum: «Was hatte sie an, die Hella? Was hatte sie bei sich? Der Weidenkorb, ist er da? Wenn nicht, so wollte sie womöglich zu einem Händler. Was hat sie in den letzten Tagen erlebt? Was hat sie beschäftigt?»
    Heinz sah auf. «Um den Pater hat sie sich gesorgt. Im Verlies ist sie gewesen und ganz verwirrt und unglücklich zurückgekommen.»
    «Nur im Verlies? Nirgendwo sonst?», fragte Jutta nach.
    Heinz und Gustelies nickten.
    «Du hast sie selbst erlebt, Jutta», fügte Gustelies hinzu. «Sie stand vor deiner Stube auf dem Römer und hat sich über den Unverstand der Menschen ausgelassen, über ihre Oberflächlichkeit. Erinnerst du dich?»
    Die Geldwechslerin nickte nachdenklich, dann stand sie auf. «Ich gehe zum Verlies. Der Wärter soll mir sagen, was vorgefallen ist. Etwas muss sie zutiefst verstört haben.» Sie wandte sich an den Richter. «Wann hast du sie zuletzt gesehen? Und worüber habt ihr bei dieser Gelegenheit gesprochen?»
    Blettner kratzte sich am Kinn. «Beim Mittagessen. Sie hat gefragt, was der Schultheiß Krafft von Elckershausen zu unternehmen gedenkt. Ich sagte, dass sie sich keine großen Hoffnungen machen sollte, dass Elckershausen unseren Pater freilässt. Es ginge nicht um den Menschen, es ginge um Politik. Sie war entsetzt. Nein. Entgeistert. Nein, sie war wie gelähmt. Von da an hat sie mir nicht mehr zugehört.»
    «Mein Gott», stöhnte Gustelies. «Das kenne ich. Sie hat nachgedacht. So war sie schon als Kind. Wenn ihr ihm nicht helft, wird sie gedacht haben, so muss ich ihm eben helfen. Jutta, ich komme mit. Die Spur führt wahrhaftig über das Verlies.»

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 32
    H ella kam es vor, als liefen sie schon seit Stunden. Allmählich taten ihr die Füße weh. Sie waren vom Verlies aus hinauf zur Friedberger Warte gegangen, am Rande der Bornheimer Heide. Sie hatten die Warte hinter sich gelassen und waren bis hinauf zum Lohrberg gelaufen. Der war mit dichten Bäumen bestanden. Ein endloser Wald, der sich bis in die Wetterau zog, nur hin und wieder von einem Dorf oder einem Weiler durchbrochen.
    Der Allerweltsmann lief voran, wandte sich alle paar Schritte um und schaute auf Hella. Manchmal bog er ihr einen Zweig aus dem Weg oder half ihr über große Steine hinweg.
    Es war dunkel geworden und kalt. Ein kräftiger Wind trieb die dicken Wolken vor sich her, als triebe er Kühe auf eine Weide. Die jungen Bäume bogen die Wipfel, ab und an knallte ein Tannen- oder Kiefernzapfen vor ihr auf den Weg. Manchmal lugte der Mond durch einen Wolkenspalt und tauchte alles in ein kaltes Licht. Dann sah das Gesicht des Allerweltsmannes aus, als wäre es aus Silber, selbst sein Haar, das am Tage farblos war, leuchtete gespenstisch.
    Tiere kreuzten ihren Weg, huschten wie Schatten an ihr vorüber. Im Unterholz hörte Hella Wildschweine grunzen, irgendwo krächzte ein Käuzchen.
    Wenn ein Käuzchen schreit, stirbt ein Mensch. Bei dem Gedanken an den alten Spruch erschauerte Hella bis ins tiefste Innere.
    Sie fror trotz der dicken Strümpfe, ihre Zehen waren schier taub vor Kälte. Außerdem hatte sie den Eindruck, dass die Holzpantinen mit jedem Schritt schwerer wurden.
    Seit sie im Wald waren, kannte sie sich nicht mehr aus.
    Sie musste einmal stehenbleiben, weil ein Stein in ihren Holzschuh geraten war und drückte. Vor ihr ragte eine mächtige Tanne auf. Der Wind bog einen Ast bis zu ihr herab, und Hella schien es, als wolle der alte Baum ihr etwas zuraunen. Doch sie verstand es nicht.
    Der Allerweltsmann hatte bemerkt, dass sie nicht mehr folgte. Er kam zurück, hielt sie am Arm. «Es ist nicht mehr weit», sagte er. «Nur noch ein kurzes Stück. Dann wird Euch warm werden, und Ihr könnt Euch ausruhen und sicher fühlen.»
    Wie gerne hätte Hella jetzt in der Pfarrhausküche ihrer Mutter gesessen und ihr beim Kochen zugesehen. Wie gern hätte sie Bruder Göcks Nörgeleien gelauscht oder den spöttischen Kommentaren der Geldwechslerin. Und ihr Heinz!
    Ach, du Lieber, dachte sie. Wie gern wäre ich jetzt bei dir! Wie sehr vermisse ich dich.
    «Kommt, kommt. Eilt Euch. Ich befürchte, der Sturm bringt Regen mit. Ihr wollt doch nicht nass werden?»
    Hella stutzte. Die Stimme des Allerweltsmannes hatte einen seltsamen Beiklang bekommen. Die Freundlichkeit, die Anteilnahme waren geblieben, aber Hella kam es so vor, als hätte sich ein Hauch von Ungeduld daruntergemischt.
    «Ja, ich komme», sagte sie leise, aber in Gedanken bat sie Gott und alle seine

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