Die Verfluchte
abfährst.“ Er drückte zu.
Emmanuelle schrie vor Schmerz auf. „Lass mich in Ruhe!“
Aber Razor dachte nicht daran. Sein Mund näherte sich ihrem Gesicht, sie wandte sich ab und spürte, wie er ihr einen Kuss auf den Hals drückte. Sein Atem roch nach Gras.
Ihr Magen drehte sich um.
„Komm schon!“, raunte er und schob die Hand unter ihren Rocksaum. „Alles, was du tun musst, ist die Beine für mich breit zu machen.“
„Wie wäre es, wenn du sie in Ruhe lässt?“
Die Stimme klang kühl und lässig und Emmanuelles Herz machte einen heftigen Satz. Der Typ mit der Sonnenbrille!
Razor ließ von ihr ab und drehte sich um.
Der Typ mit der Sonnenbrille stand da, die Beine ganz leicht gespreizt, als sei er sicher, dass es gleich zu einem Kampf kommen würde. Sein Gesichtsausdruck – jedenfalls der Teil davon, der nicht von der Sonnenbrille verdeckt wurde – war hart. Etwas ging von ihm aus, das Emmanuelle nicht einzuordnen wusste. Es fühlte sich an wie pure Aggression.
Razor schien es auch zu spüren, denn er zögerte. Emmanuelle sah, wie sein Kehlkopf nervös zuckte. „Verpiss dich!“, zischte er endlich. Es klang ein bisschen atemlos.
Der Typ mit der Sonnenbrille schüttelte nur den Kopf.
Wieder ruckte Razors Kehlkopf. „Los“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch und winkte seine Gang nach vorn. „Macht ihn fertig!“
Die anderen sahen sich halb erschrocken, halb wütend an.
Obwohl sie vor Angst schlotterte, hätte Emmanuelle fast lachen müssen. „Schick ruhig deine Kampfhunde vor!“, kicherte sie. In ihrem Kopf kreiste es, ihr Blut perlte.
Die Gangmitglieder rotteten sich zusammen und machten geschlossen einen Schritt vor.
Der Typ mit der Sonnenbrille rührte sich nicht. Die Gangmitglieder zögerten. Sie erlebten selten, dass jemand keine Angst vor ihnen hatte, und sie waren offenbar irritiert, dass dies jetzt der Fall war.
„Los doch!“, zischte Razor.
Da hob der Typ langsam die Hand und nahm die Sonnenbrille ab.
Emmanuelles Knie wurden schlagartig weich.
Die Augen des Typen waren blau. Nicht nachtblau, so wie es in den Heftchen beschrieben wurde, die sie so gern las. Auch nicht eisblau, was zu ihm gepasst hätte. Nein, seine Iris leuchtete in einem strahlenden, völlig überirdisch wirkenden Aquamarinblau. So grell war es, dass es Reflexe auf die Haut rings um seine Augen warf und – Emmanuelle glaubte, sich zu täuschen – feine, ebenfalls blaue Linien bildete, die ein verschlungenes Muster zeigten.
Die Gangmitglieder keuchten auf. Und wichen zurück.
„Ihr geht jetzt besser“, sagte der Typ mit den blauen Augen. Sein Blick huschte über die Bahnsteige hinweg und Emmanuelle hatte kurz den Eindruck, als würde er eine hochgewachsene, schwarzhaarige Frau ansehen, die dort stand. Als Emmanuelle aber ein zweites Mal hinsah, war die Frau verschwunden.
Die Gangmitglieder reagierten nicht auf die Aufforderung, da griff der Typ mit den blauen Augen in die hintere Jeanstasche, zog ein schlankes Springmesser hervor und ließ die Klinge aufschnappen.
Die Gang schaute unsicher in Razors Richtung. Der glotzte das Messer an, schluckte ein weiteres Mal, dann nickte er. „Verschwinden wir!“, sagte er. Er schien verzweifelt nach einem passenden Spruch für einen eleganten Abgang zu suchen, aber nach einem weiteren Blick in diese überirdisch blauen Augen fiel ihm offenbar überhaupt nichts mehr ein.
Die Gang machte, dass sie davonkam.
Der Typ ließ das Messer verschwinden und setzte die Sonnenbrille wieder auf.
Emmanuelle hätte vor Enttäuschung fast aufgeschrien. „Puh!“, gelang es ihr zu sagen. „Das war schräg!“
Der Typ sah sie an, jedenfalls vermutete sie das, denn er wandte ihr das Gesicht zu. Sie konnte sich in den Gläsern seiner Brille spiegeln.
Sag was! , flehte sie im Stillen.
Aber er schwieg.
„Wie kann ich das wiedergutmachen?“, hauchte sie. Ihr war jetzt heiß und kalt gleichzeitig, und ihr Körper, der sich unter Razors Händen in Stein verwandelt hatte, wurde schon wieder ganz weich und nachgiebig. Vielleicht würde der Typ sich ja in Naturalien bezahlen lassen!
Aber er schüttelte nur den Kopf. Dann wandte er sich zum Gehen, ohne ein weiteres Wort gesagt zu haben.
„He!“, rief sie hinter ihm her. „Ich weiß noch immer nicht, wie du heißt.“
Wie eben schon einmal blieb er stehen und blickte zu Boden, ohne sich zu ihr umzudrehen.
„Alan“, sagte er leise.
Dann ging er.
Nachdem Rose die sonderbare Hütte von Mme
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