Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verfluchte

Die Verfluchte

Titel: Die Verfluchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Gavilan
Vom Netzwerk:
aufrichten würde.
    Sag was! , flehte sie im Stillen. Bitte, sag was!
    „Ja“, sagte er schließlich. „Verzeih mir, muiañ-karet .“
    Warum bat er sie um Verzeihung? Roses Knie wollten nachgeben. Nur mit Mühe schaffte sie es, aufrecht stehen zu bleiben. Der Mann kam näher, er roch anders als früher ...
    Sie schluckte schwer. „Halt mich fest!“, wisperte sie.
    Und da zog er sie in seine Arme.
     
    Seine Geliebte . Er hielt sie so fest, wie er es konnte, ohne ihr wehzutun. Sie hatte den Kopf an seine Brust gelegt, wie sie es früher so oft getan hatte, und es kam ihm vor, als hätten die Götter sie genau dafür geschaffen. Sie gehörte in seine Arme, wie der Sperber an den Himmel gehörte und der Wolf in die Wälder Aremoricas, und es war egal, wie sehr sie sich auch versuchten, gegen diese Tatsache zu sperren.
    Wolf und Sperber. An diese beiden Tiere dachte Alan, während er Rose festhielt und dafür sorgte, dass das Zittern ihres schlanken Körpers nachließ. Sanft und liebevoll streichelte er ihr über den Rücken, und dabei wusste er, dass er für sie das bedeutete, was der Sperber für das Kaninchen und der Wolf für das Reh im Wald waren.
    Eine tödliche Gefahr.
    Während er den Kopf zur Seite legte, sodass seine Wange auf ihrem Scheitel ruhen konnte, lauschte er in sich hinein. Er wartete auf den Funken der Düsternis, der sich hinter seiner Stirn befand. Der aufflammen würde, so sicher, wie die Sonne nach einer langen, kalten Nacht am Horizont erschien. Er biss die Zähne zusammen. Für den Moment spürte er nichts. Nur das Klopfen seines eigenen Herzens, das laut in seinen Ohren dröhnte. Erleichterung überkam ihn. Für den Augenblick war die Morrigan weit weg. Für den Augenblick war Rose in seinen Armen sicher.
    Er wollte die kostbaren Sekunden genießen, aber er versagte es sich. Er durfte nicht nachlässig werden, musste auf der Hut sein, dass er den Moment nicht verpasste, in dem die Morrigan auftauchte.
    Tief holte er Luft. Er sog Roses Geruch ein, den er so lange entbehrt hatte. Den Geruch ihrer Haut, dessen Fehlen ihm körperliche Qualen bereitet hatte.
    „Wer bist du?“, hörte er Rose wispern. Gequält schloss er die Augen.
    Sie erinnerte sich nicht. Er hatte das gewusst, als er hergekommen war. Sie hatten beide gewusst, dass sie getrennt werden würden, als sie im Jahr 1913 auseinandergegangen waren. Er hatte keine Ahnung gehabt, wie schmerzhaft es sein würde, von Rose getrennt zu sein, und obwohl er wusste, dass es böse enden würde, böse enden musste, war er Glynis dankbar dafür, dass sie ihn hergerufen hatte. Die Finsternis regte sich hinter seiner Stirn. Der Funke der Düsternis flammte auf, aber er schaffte es, ihn zurückzudrängen. Die Morrigan war weit weg. Heute würde er stark sein. Stark genug, um Rose zu halten, sie zu küssen – und sie zu lieben.
    Er hätte Jahrhunderte der Qual ausgehalten, wenn er sie in seinem ganzen verfluchten Leben nur noch ein einziges Mal hätte lieben dürfen. Die wenigen Stunden, ja selbst eine einzige Stunde in Roses Armen wäre es wert gewesen.
    Er spürte, wie sie sich in seinen Armen wand, wie sie von ihm abrücken wollte. Mit Bedauern ließ er sie los, sah, wie sie mit ihren bernsteinfarbenen Augen zu ihm aufblickte. Bei diesem Anblick fühlte er sich wie gehäutet.
    Die Düsternis hinter seiner Stirn verdichtete sich. Er biss die Zähne zusammen.
    Sie bemerkte es. Eine steile Falte erschien zwischen ihren Augenbrauen. Er sah den Anflug von Angst in ihren schönen Augen, und es war schon jetzt fast mehr, als er ertragen konnte. Er wollte nicht, dass sie Angst vor ihm hatte, und gleichzeitig wusste er, dass es das einzig vernünftige Gefühl war, das sie in seiner Gegenwart empfinden durfte: Todesangst.
    „Wer bist du?“, fragte sie erneut, und sie setzte hinzu: „Woher kenne ich dich?“
    Er schluckte. Und schwieg. War es ein Zeichen der Göttin?, fragte er sich. Ein Zeichen, dass nach so langer Zeit des Leidens am Ende doch noch alles gut werden würde? Glynis hatte es behauptet, aber ihm fiel es schwer, daran zu glauben. Zu vieles war geschehen. Zu dunkel waren die Albträume, die sie bereits erlebt hatten.
    Ich bin der Sperber am Himmel , dachte er. Ich bin der Tod, der über dich kommen wird.
     
    Rose war verwirrt. Verwirrt, weil sie das Gefühl hatte, dass dieser Mann sie schon Dutzende Male im Arm gehalten hatte und weil er gleichzeitig ein völlig Fremder für sie war. Außerdem war sie so erleichtert, dass ihr beinahe die

Weitere Kostenlose Bücher