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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tut mir Leid. Aber ich brauche alle Kraft, die ich bekommen
kann.
War er wirklich so blind gewesen?
Irgendwann war es vorbei. Meruhe gab einen leisen, erschöpften
Seufzer von sich und sank plötzlich nach vorn. Ihre Hand glitt von
Abu Duns Leib und hinterließ eine verschmierte Spur aus seinem
Blut auf der schwarzen Haut des Nubiers, während ihre andere Hand
sich so fest um das Amulett geschlossen hatte, als wolle sie es zerquetschen. Auch Abu Dun stöhnte leise und warf den Kopf hin und
her und hob endlich die Lider.
Im ersten Moment war sein Blick verschleiert, dann weiteten sich
seine Augen, als er Andrej erkannte. Er fuhr heftig zusammen und
machte eine Bewegung, wie um sich in die Höhe zu stemmen, hatte
aber ganz offensichtlich nicht die nötige Kraft dazu, denn er sank
sofort zurück, und sein Kopf schlug schwer auf den steinernen Boden
auf.
Auch Meruhe hob den Kopf und sah in seine Richtung. Für die
Dauer eines halben Atemzuges las Andrej nichts anderes als Verständnislosigkeit und Unglauben in ihrem Auge, dann breitete sich
jähes Erschrecken auf ihren Zügen aus. Mit einer so hastigen Bewegung, dass sie strauchelte und mit einem raschen Seitwärtsschritt ihr
Gleichgewicht zurückerlangen musste, sprang sie auf und prallte
zurück, bis sie gegen die lebensgroße Statue eines Geparden stieß,
die beinahe umgefallen wäre.
»Andrej?«, keuchte sie. »Aber wie…?« Sie drehte mit einem Ruck
den Kopf und starrte den Gang an, aus dem Andrej gekommen war,
dann, einen Moment länger und mit womöglich noch größerem
Schrecken, Abu Dun, der noch immer vollkommen reglos und entkräftet zu ihren Füßen lag, und schließlich wieder ihn. »Aber wie…
wie kommst du…« Entsetzt schlug sie die Hand vor den Mund. »Bei
allen Göttern!«, keuchte sie. »Das Siegel! Es ist gebrochen!«
Und damit fuhr sie herum und rannte los, so direkt auf Andrej zu,
dass er glaubte, sie wollte sich auf ihn stürzen, dann aber sprang sie
im allerletzten Moment zur Seite, jagte an ihm vorbei und war durch
die Tür verschwunden, durch die er gerade hereingekommen war.
Andrej sah ihr nach, bis das Geräusch ihrer hastigen Schritte auf
dem nackten Steinboden verklungen war, dann wandte er sich wieder
zu Abu Dun um.
Der Nubier lag noch immer ausgestreckt auf dem Rücken und starrte ihn an. In seinem Blick war etwas, was Andrej nicht deuten wollte.
Entsetzen. Schrecken und unglaublich tiefe Scham, aber auch noch
mehr. Etwas, von dem er sehr wohl wusste, was es war. Aber er
wollte es nicht wissen. Nicht jetzt.
Langsam ging er zu dem Nubier hin, zog sein Schwert und benutzte
die Klinge, um Abu Duns Mantel über seine Blöße zu legen. Seine
Hand schloss sich so fest um den Schwertgriff, dass das weiche Leder, mit dem er umwickelt war, hörbar knirschte. Schließlich aber
steckte er die Waffe wieder ein.
»Andrej…«, murmelte Abu Dun. Seine Stimme zitterte. Sie war
leise und so brüchig wie die eines uralten Mannes.
Andrej sagte nichts. Er blickte Abu Dun auch nicht länger an, sondern wandte sich langsam ab, um erneut in die Richtung zu sehen, in
die Meruhe gestürmt war. Sein Kopf schien noch immer mit zähem
Morast gefüllt zu sein, und in seinem Mund war der bittere Geschmack der Niederlage.
Nach einer Weile konnte er hören, wie Abu Dun sich hinter ihm
mühsam in die Höhe stemmte. Seine Atemzüge gingen schwer und
schnell. »Andrej«, murmelte er noch einmal. »Bitte, ich… ich…«
»Schon gut«, flüsterte Andrej. Seine Hand hielt den Schwertgriff
immer noch so fest umschlossen, dass es wehtat. »Du musst nichts
sagen.«
»Aber ich… du… du musst mir glauben«, stammelte Abu Dun.
»Ich weiß nicht, warum…«
Er brach ab, als Andrej mit einer heftigen Bewegung herumfuhr
und ihn anstarrte. Auf seinem Gesicht war ein Ausdruck unendlicher
Qual und fast ebenso großer Verwirrung.
»Ich… ich wollte das nicht«, murmelte er. Es klang hilflos. »Bitte,
Andrej, ich…«
»Ich habe doch gesagt, es ist gut«, unterbrach ihn Andrej erneut,
diesmal aber viel leiser und in fast sanftem Tonfall. Bitterer Speichel
sammelte sich unter seiner Zunge, und er musste schlucken, bevor er
weiterreden konnte. »Du hast dir nichts vorzuwerfen, Abu Dun.
Nicht das Geringste.«
Natürlich verstand Abu Dun diese Worte falsch; wie hätte es auch
anders sein können? Der Ausdruck von Qual und Scham auf seinem
Gesicht nahm noch weiter zu. Hilflos ballte er die Fäuste vor dem
Gesicht. »Es… es tut mir Leid«,

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