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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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umgestürzten Baumstamm, so daß sie ungefähr mit seinem Gesicht auf gleicher Höhe war. »Mal sehen, ob ich es noch korrekt wiedergeben kann. Also, er sagte, du wärest mit ihnen verwandt, und ein eigensinnigeres, hartnäckigeres und hirnverbrannt furchtloseres Völkchen als die Montgomerys habe die Welt noch nicht gesehen. Hört sich das so an, als könnte er das gesagt haben?«
    »Perfekt. Es sind die Verwandten meiner Mutter, eine sehr alte Familie, die während der Regierungszeit Heinrichs VIII. nach Amerika kam.«
    »Im sechzehnten Jahrhundert?«
    »Ja«, sagte sie, lächelte ihn an und streckte ihm ihre Hand hin. Er ergriff sie, und Chris begann den schmalen Grat des runden Baumstamms entlangzugehen. »Erzähle mir mehr von dem Zusammentreffen mit meinem Vater. Was hat er noch gesagt? Was haben sie gesagt, als sie dich aus dem Gefängnis entließen?«
    »Nicht viel. Im Gefängnis erklären sie dir nicht groß was; sie zerren nur an deinen Ketten, und du folgst ihnen.«
    »Jedesmal, wenn ich dich danach frage, wie du ins Gefängnis gekommen bist, ist es deinen Worten zufolge stets auf eine falsche Beschuldigung hin geschehen. Ich meine, hast du denn nie etwas Illegales getan?« Sie drehte sich auf dem Baumstamm und wanderte den gleichen Weg wieder zurück.
    »Warum mußt du alle Geheimnisse eines Mannes wissen? Ich habe meinen Anteil an ungesetzlichen Dingen vollbracht, bei denen ich aber nie erwischt wurde, weshalb sie mich wohl dauernd beschuldigten, wenn ich unschuldig war. Sie meinten wohl, es wäre egal, wofür sie mich hängten, solange es überhaupt geschah.«
    »Und wann hast du dann das Dasein eines Ungesetzlichen aufgegeben und dir auf ehrliche Weise dein Brot verdient?«
    Tynan schnaubte: »Ich habe den Eindruck, Red konnte ihr großes Mundwerk nicht halten. Ich bin seit meinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr ehrlich geblieben.«
    »Also seit sieben Jahren«, sagte sie.
    »Red hat demnach aus der Schule geplaudert. Steig vom Baum herunter; du machst mich noch ganz schwindlig! Ich weiß auch ein paar Sachen von Ihnen, Mary Christiana«, sagte er, während er sie vom Stamm herunterhob.
    »Nicht so viele, wie Sie glauben«, entgegnete sie augenzwinkernd. »Ich heiße nicht Mary Christiana. Bei meiner Geburt gab man mir nach meiner Großmutter väterlicherseits den Namen Mary Ellen; aber als ich sechs Jahre alt war, wurde mein Name geändert.«
    »Nun gut - jetzt ist die Reihe an dir, Geschichten zu erzählen. Setz dich hierher - nicht so nahe bei mir, und wage ja nicht, dichter an mich heranzukommen.«
    Immer noch lächelnd und mit einem Gefühl, als wäre sie die begehrenswerteste Frau der Welt, setzte sie sich ins Gras und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Baumstamm. »Ich habe das Zweite Gesicht«, sagte sie schlicht. »Bisher habe ich nur zwei Visionen gehabt; aber eine genügte schon, damit mein Name geändert wurde. Offenbar gehört es zu den Traditionen der Montgomerys, alle Frauen, die das Zweite Gesicht besitzen, Christiana zu nennen.«
    »Was geschah nun, als du sechs Jahre alt warst?«
    »Meine Eltern und ich waren in der Kirche, und ich kann mich wirklich nicht mehr daran erinnern, was für ein Gefühl mich vorher beschlich; doch eben stand ich noch ganz ruhig neben meiner Mutter, und im nächsten Moment rannte ich das Hauptschiff hinunter und schrie, daß sich jeder nach draußen begeben solle. Meine Mutter erzählte mir, die in der Kirche versammelten Gläubigen seien über meine Schreie so verblüfft gewesen, daß keiner sich von der Stelle rührte; doch sie kannte natürlich die Tradition ihrer Familie und wußte, daß ungefähr alle drei Generationen ein Mädchen mit dem Zweiten Gesicht auf die Welt kam. Und deshalb schrie meine Mutter das einzige Wort, welches ihr garantierte, daß das Gebäude geräumt wurde.«
    »Feuer«, sagte Ty.
    »Ja. Nur daß die Leute, als sie in panischer Angst aus dem Gebäude rannten und einer sogar durch ein Fenster sprang, nachdem er vorher mit einem Stuhl die kostbaren bemalten Scheiben eingeschlagen hatte, sahen, daß es überhaupt nicht brannte. Ich werde nie mehr die Gesichter der Leute vergessen, mit denen sie sich nun auf meine Mutter und mich zubewegten. Ich dachte schon, sie würden uns umbringen, und versuchte, mich in den Röcken meiner Mutter zu verstecken.«
    Chris holte tief Luft. »Sie hatten uns gerade erreicht, als der Himmel sich öffnete, ein Blitz herniederfuhr und das Hauptschiff der Kirche traf, das in sich zusammenstürzte. Als der

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