Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
sah, dass Edward Wortley sich klammheimlich davongeschlichen hatte – wohl in der Hoffnung, eine Geldausgabe zu vermeiden, vermutete er.
»Der Baron und der Duke wagen kühne Einsätze für die Damen«, sagte Lady Mary mit klarer Stimme. »Aber als Antwort darauf wette ich dreihundert Pfund, dass ich Sie alle schlagen werde.«
Und sie warf ein handgeschriebenes Billett in die Mitte, ohne die leiseste Spur von Aufregung oder Gefühlswallung. Alexander war sprachlos vor Bewunderung.
Die Karten wurden ausgespielt – und Lady Mary zur Gewinnerin erklärt. Sie äußerte weder Frohlocken noch Erregung angesichts des Ausgangs, sondern meinte nur: »Dachte ich mir’s doch, dass ich die besten Karten hatte.«
Die Geberin räumte schließlich den Tisch und wandte sich an Lord Petre: »Ihre Wette war ziemlich tollkühn, Mylord.«
»Ist doch bloß ein Kartenspiel«, erwiderte er mit so viel Gleichgültigkeit, wie er aufbringen konnte. »Was man an einem Abend verliert, gewinnt man leicht an einem anderen zurück. Das ist doch das Beste an Lady Fortuna: Wie kapriziös sie auch sein mag, sie ist ebenso oft für uns wie gegen uns.« Aber als er sich abwandte, wischte er sich die Stirn.
Henrietta Oldmixon schien völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass soeben sechshundert Pfund auf den Ausgang eines einzigen Spiels gewettet worden waren, und setzte ein Gespräch dort fort, wo es kurz zuvor unterbrochen worden war.
»Was für ungewöhnliche Neuigkeiten über den Tod des Duke of Newcastle«, sagte sie zu Arabella. »Das Vermögen geht an seine Tochter, Lady Henrietta Cavendish Holles. Da bleibt für seine Frau natürlich sehr wenig.«
Alexander hatte gesehen, dass Arabella am Ende des Spiels sehr blass geworden war, entsetzt, dass Lord Petre ihretwegen eine so große Summe Geldes verspielte. Aber sie hatte sich schnell wieder unter Kontrolle und wandte sich ohne eine Spur von Besorgnis um die Augen Henrietta zu. »Ich habe neulich zwei Herren Lady Henriettas große Schönheit und sprühenden Geist preisen hören«, sagte sie süffisant lächelnd. »Und als ich sie derart beschrieben hörte, da dachte ich mir schon, dass der Duke ernsthaft krank sein müsse. Aber ich wusste nicht, dass er schon tot ist.« Alexander konnte nicht umhin, sie für eine derartige Selbstbeherrschung zu bewundern, obwohl ihre Leidenschaftslosigkeit ihn frösteln machte.
»Er ist vom Pferd gefallen und war sofort tot«, erklärte Miss Oldmixon lässig. »Seine Tochter ist ein ganz nettes Mädchen, obgleich, wie Sie sagen, nicht hübsch. Ich hoffe, die Ehe, die man für sie arrangiert hat, wird nicht allzu verdrießlich.«
Als Lady Mary Pierrepont vom Tisch aufstand, die Herren aufforderte, man möge ihr die Gewinne am Vormittag nach Hause bringen lassen, und sich dann zum Gehen wandte, da trat Alexander auf sie zu, um ihr zu der Kühnheit, mit der sie gespielt hatte, zu gratulieren.
»Sie sind der Achilles der heutigen Zeit«, sagte er. »Wozu denn noch neue Übersetzungen Homers, wenn die epischen Schlachten am Kartentisch gewonnen und verloren werden.«
Zu seiner Enttäuschung war ihre Antwort distanziert:
»Ich freue mich, dass Sie diese Abendgesellschaft genossen haben, Mr. Pope«, sagte sie und wandte sich kühl ab.
Alexander hätte sich ohrfeigen können, dass er sie angesprochen hatte. Wieder mal war er so naiv gewesen zu glauben, auf eine so substanzlose Freundschaft bauen zu können. Mit all ihrem Esprit und ihrer Klugheit hatte Mary Pierrepont ihn vergessen lassen, dass sie die Tochter eines Grafen war. Sie hatte die Freiheit, mit ihm zu reden, und sie genoss es, das zu tun, liebte es, Konventionen zu missachten. Als sie ihn vorhin angesprochen hatte, da war das zweifellos auch ein Versuch gewesen, Wortley eifersüchtig zu machen. Er war ein Narr gewesen, das nicht zu merken, nicht zu wissen, dass Wortleys Verbindung mit Lady Mary – welch unzulänglicher Bewerber er auch sein mochte – wohl kaum durch den Sohn eines katholischen Textilimporteurs infrage gestellt werden konnte. Dieser Abend hatte ihm selbst und auch anderen manch eine Lektion in Sachen Torheit erteilt. Aber auch wenn er wusste, dass er darauf hätte gefasst sein müssen, so wurmte ihn Lady Marys Abfuhr doch. Die Aufmerksamkeit, die ihm heute Abend zuteilgeworden war, hatte ihm Auftrieb gegeben. Jetzt, da endlich von ihm Notiz genommen wurde, ertrug er den Gedanken nicht, erneut als unbedeutend abgetan zu werden.
Martha beobachtete mit Interesse alles, was sich
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