Die Verfuehrung Des Ritters
im Sonnenlicht funkelten. Pechschwarze Fahnen mit dem Wappen d'Endshires hingen in genau bemessenen Abständen von den Mauern herab und wehten im kalten Herbstwind.
Am Ostturm hingen die Fahnen an zwei Seiten herunter. In Gwyns Kehle schien sich ein Klumpen zu bilden. Sie schluckte schwer, als sie auf das Torhaus zuritt und in dessen Schatten eintauchte.
Die Eisenscharniere quietschten, als die Brücke rasselnd heruntergelassen wurde und man Gwyn einließ. Die Brücke knallte donnernd herunter. Schlamm spritzte auf und legte sich wie ein feiner Sprühregen auf die Besucherin. Windstalker scheute, und Gwyn wischte wütend und mit ungeduldiger Bewegung die Erdbrocken von ihrem Mantel. Marcus verstand sich darauf, für Dreck zu sorgen Sie wurde sogleich zu ihm gebracht. Er übte sich mit einem seiner Männer im Schwertkampf. Um die beiden waren etwa ein Dutzend Kämpfer versammelt, die sie anfeuerten. Marcus und der Ritter umkreisten einander, bereit, mit ihren Holzschwertern zuzuschlagen und hinter ihren Schilden Deckung zu suchen. Der Ritter machte einen Ausfall, Marcus wirbelte herum und führte sein Schwert in einer schnellen Bewegung von unten nach oben. Das Holzschwert traf seinen Gegner am Knie, und der Ritter sank zu Boden. Er hielt sich das Bein und kniff in stummem Schmerz die Augen zusammen.
Marcus riss sich die Helmbrünne vom Kopf und warf sein Holzschwert vor die Füße des Gegners. »Du musst hinsehen, Richard. Du musst immer überall hinsehen.«
Der Ritter nickte, die Augen fest zusammengekniffen. Seine Kameraden halfen ihm auf die Füße. Einer von ihnen bemerkte Guinevere und gab Marcus ein Zeichen. Er drehte sich zu ihr um.
Seine Augenbrauen hoben sich nur ganz leicht, um seinem
Erstaunen Ausdruck zu verleihen. Während er auf sie zuging, zog er sich die Handschuhe aus.
»Guinevere, welch unerwartete Freude. Ich erinnere mich dunkel, was Ihr bei unserer letzten Begegnung gesagt habt. Wie war es noch ? Ihr würdet nie einen Fuß über meine stinkende Türschwelle setzen?« Er lächelte entschuldigend. »Den Rest habe ich wohl vergessen.«
»Nie wieder«, erinnerte sie ihn.
»Genau das waren Eure Worte.« Er nahm die Lederhandschuhe in eine Hand und wischte sich damit den Schweiß von der Stirn. »Meine Türschwelle stinkt also nicht mehr. Oder hat sich etwas anderes verändert?«
»Griffyn Sauvage hat das Nest eingenommen.«
»Ich weiß.« Er ließ die Hand sinken. »Und was ist mit Euch ?«
»Wir sind einander versprochen.«
Darüber schien er nachdenken zu müssen. Er starrte auf seine Füße. Sie senkte die Stimme. »Können wir irgendwo ungestört reden?«
Seine Augen, so scharf wie die eines Habichts, richteten sich auf sie. Der Herbstkälte zum Trotz spürte Gwyn einen Schweißtropfen zwischen ihren Brüsten hinablaufen.
Marcus' Ritter konnten noch so viel trainieren, sie würden niemals mit ihrem Lord konkurrieren können, wenn es darum ging, etwas zu taxieren, zu kalkulieren und einzuschätzen. Marcus war wie ein Abakus, der rasch addierte und subtrahierte und die Vorteile und Schwächen seines Gegners gegeneinander aufrechnete, um das Ergebnis gewinnbringend für sich zu nutzen.
Er sah Gwyn einen Moment lang abschätzend an, dann wies er einladend zum Bergfried. Einige der Diener blickten ihnen verstohlen nach, als sie vorbeigingen, wobei sie ihre Gesichter abgewandt hielten. Ihre Schritte hallten laut im Rhythmus ihres schnellen Herzschlags wider. Sie hatte Angst. Welchen Pakt musste sie mit Marcus eingehen, damit er ihr half?
Sie setzten sich in eine dunkle Ecke der großen Halle, und Gwyn kam es so vor, als bestünde die ganze Halle nur aus finsteren Ecken, Spinnweben und abgemagerten Hunden. Marcus ließ aus der Küche einen Teller mit Erfrischungen bringen, ehe er die Diener wegschickte.
»Was geht im Süden vor sich? Was wisst Ihr darüber?«, fragte Gwyn ihn, sobald sie allein waren. »Ich erfahre dieser Tage nichts. Wo stehen wir?«
Marcus hörte auf, an einem Brotkanten herumzukauen. »Ihr seid den ganzen Weg gekommen, weil Ihr wissen wollt, was ich aus dem Süden höre?« Er lächelte kurz.
»Mit wir meint Ihr Stephen, nicht wahr, Gwynnie?«
»Ich meine jene, die sich dem König verpflichtet fühlen!«, fauchte sie.
»Nun, dann steht es folgendermaßen um uns: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Henri fitzEmpress auf dem Thron sitzt. Alle Barone wenden sich ihm zu.«
»Ihr wollt damit sagen, Ihr wendet Euch ihm zu«, erwiderte sie enttäuscht.
»Das habe ich
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