Die Verfuehrung Des Ritters
Keiner bleibt in Reserve. Das wird ein Kinderspiel.«
Der Herald nickte und hob das Horn an die Lippen. Er blies zum Angriff. Standarten wurden geschwenkt. Zuerst rückten die Reiter in einer geraden Linie vor. Die Streitrösser schnaubten und scharrten mit den Hufen. Leder knarrte. Die Reiter waren gesichtslose, behelmte Gestalten. Dahinter folgten die Fußsoldaten, deren Rüstung fast ebenso stabil war wie die der Ritter, da sie aus hartem Leder gefertigt war.
Marcus lenkte sein Pferd zu den Reihen der Ritter. Diese Männerwaren ihm durch ihren Lehnseid verpflichtet; sie bewirtschaf—
teten sein Land und leisteten ihm Kriegsdienste. Bei den meisten Fußsoldaten verhielt es sich anders. Diese Männer hatten vor allem die Freude am Krieg gemein.
Sie banden sich selten dauerhaft an einen Brotherrn. Es war eine Horde aus Schuldnern, die er aus seinen Kerkern herausgelassen und bewaffnet hatte, und unbezahlten Söldnern, die sich an der zu erwartenden Beute schadlos halten würden.
Marcus wusste, dass diese Männer nur eine einfache Sprache verstanden, dass er von ihnen nichts erwarten konnte, was Vertrauen voraussetzte oder Können erforderte. Aber vor allem musste er diesen Männern etwas geben, für das es sich zu kämpfen lohnte.
»Männer!«, brüllte er. »Dies ist keine Belagerung, sondern ein Kampf auf Leben und Tod. Haltet euch nicht zurück! Die Fußsoldaten folgen den Reitern! Es gibt keinen Rückzug! Wen ihr tötet, dürft ihr ausrauben! In der Burg wird nicht geplündert, nur im Dorf! Aber das Dorf könnt ihr niederbrennen! Und vor allem eines!« Er setzte den Helm auf, ehe er bellte: »Sauvage gehört mir!«
Sein Pferd bäumte sich auf. Marcus hob einen Arm und senkte ihn dann abrupt. Die Kavallerie stürmte vorwärts, als wäre sie von einer Armbrust abgefeuert worden.
Hufe donnerten über die Ebene. Die Fußsoldaten rannten hinter den Rittern her. Ein Donnern rollte durch das Tal.
Die Kampflinien trafen mit einem hässlichen Krachen aufeinander. Eisen und Fleisch prallten gegeneinander, Lanzen stießen in gepanzerte Körper und hoben Männer rückwärts aus den Sätteln, als wären sie nichts als Strohsäcke. Körper fielen zu Boden. Die Reiterei pflügte einmal durch die Reihen des Gegners. Danach begann der Schwertkampf.
Lange blitzende Schwerter zielten auf Arme und Beine. Männer schrien vor Schmerz auf und riefen ihren Kameraden etwas zu. Pferde wichen mit geblähten Nüstern zurück und hatten
Schaum vor dem Maul. Die Fußsoldaten stürzten sich ins Gefecht, hieben mit Piken und Schwertern auf die Gegner ein. Die Sonne blitzte auf den roten nassen Schwertern.
Marcus machte Griffyn aus. Er kämpfte in vierzig Schritt Entfernung gegen einen Ritter, den er aus dem Sattel gehoben hatte. Griffyn wendete seinen riesigen Rappen. In diesem Moment erblickte er Marcus und zügelte sein Pferd. Er ließ Marcus nicht mehr aus den Augen. Sein Pferd wirbelte herum und schnaubte wütend; die Hufe fuhren durch die Luft.
Marcus lächelte. Sein Gegner blickte an ihm vorbei und lächelte ebenfalls.
Daraufhin wirbelte Marcus herum. Verdammt!
Hunderte Ritter galoppierten den Hügel hinter ihnen herunter. Die Wimpel knatterten im Wind. Sauvages Armee schloss Marcus' Männer von hinten ein.
Es war eine Falle.
Die heranpreschenden Ritter schwemmten wie eine Flutwelle über die Reihen seiner Männer hinweg und hinterließen eine Spur der Verwüstung. Schwerter prallten aufeinander, Pferde schnaubten und wieherten schrill. Marcus fuhr wieder herum und lenkte sein Pferd zur Mitte des Kampfgeschehens. Er galoppierte direkt auf Griffyn zu, der seinen Hen gst auf einer kleinen Erhebung im Kreis lenkte. Er erwartete ihn.
»Gut gemacht!«, rief Marcus. Er nickte zu den Männern hinüber, die wie eine tödliche Welle über seine Kämpfer hinwegschwappten.
»Ich werde jeden Einzelnen Eurer Leute töten.«
»Ruft Eure Leute zurück«, sagte Marcus knapp. »Wir müssen reden.«
Griffyn lehnte sich auf sein Sattelhorn. »Jeden Einzelnen töten wir.«
»Ich meine es ernst, Griffyn. Ruft Eure Männer zurück. Ich habe etwas. Für Guinevere.«
Griffyn starrte ihn einen Augenblick an, dann richtete er sich in den Steigbügeln auf und hob den rechten Arm. Seine Leibwache sprengte herbei. Alex ritt an der Spitze.
Die Männer ritten durch Marcus' Reihen, die sich für sie öffneten. Es sah aus, als teilten sie ein Meer aus Menschen. Sie scharten sich um Griffyn. Zwölf Lanzen waren auf Marcus gerichtet. Griffyn
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