Die Verfuehrung Des Ritters
unheilvolles Gewitter. Im Westen zerriss ein Blitz den Himmel. Gwyn riskierte einen Blick über Edmunds Schulter. Schafften sie es rechtzeitig? Wie schlimm stand es um ihn? Wie viel Zeit blieb ihr noch? War ihr Geliebter vielleicht schon ...
Er stand neben Marcus?
Über den rauschenden Wind hinweg schrie sie Edmund ins Ohr: »Ich habe geglaubt, er stirbt!«
»Nein, Mylady«, schrie der Knappe zurück. »Aber er ist bereit zu töten!«
Sie versuchte, die Freudentränen zurückzudrängen, die ihr haltlos über die Wangen flössen. Erlebte. Er war nicht tot. Erlag nicht im Sterben. Alles andere konnte sie ertragen.
27. KAPITEL
Gwyn stand vor den beiden Männern und rang noch immer nach Atem. Marcus sah sie an. Griffyn starrte reglos zum Horizont. Er schien mit seinen Gedanken woanders zu sein, fast so, als ginge ihn das, was hier geschah, nichts an.
Ihr rotes Überkleid wehte im Wind, und man sah das gelbe Leinenkleid, das sie darunter trug. Heute roch man das Meer besonders stark, der salzige Geruch vermischte sich mit dem des Bluts. Es war Zeit, das hier zu beenden.
Der Wind zerrte an Gwyns Haaren, und sie drückte für einen Moment die Fingerspitzen an die Schläfen, um es zu bändigen. Erst dann wandte sie sich an Marcus. Obwohl er sie gleichmütig ansah, lag etwas Unruhiges in seinen Augen. Seit ihrer letzten Begegnung war ihm ein Bart gewachsen.
»Was wollt Ihr, Marcus?«, verlangte sie zu wissen. »Was soll das hier?« Anklagend wies sie auf seine Soldaten. »Habt Ihr den Verstand verloren ?«
»Ja.« Er stellte einen Fuß auf seinen Helm, den er auf den Boden gelegt hatte. Sein Grinsen hatte in der Tat etwas Wahnsinniges an sich. »Wie geht es Eustace?«
Gwyn schüttelte den Kopf. »Ihr kommt zu spät, wenn Ihr mir schaden wollt, Marcus.
Ich habe alles gesagt. Griffyn weiß davon.«
»Ach, dann ist es ja gut.« Er blickte zu Griffyn hinüber, der noch immer einen Punkt am Horizont fixierte. »Dann können wir gleich zum Geschäft kommen. Jeder von uns hat etwas, das der andere gern haben möchte.«
»Ihr habt nichts, das ich haben will!«, fauchte Gwyn.
»Ach nein? Noch vor zwei Wochen war ich Eure letzte Hoffnung. Nun, auf jeden Fall habe ich etwas, das Pagan vielleicht möchte.«
»Wovon redet Ihr?«, fragte sie gereizt, weil sie spürte, dass Griffyn sich nicht an diesem Gespräch beteiligen wollte. »Bitte, Marcus. Hört auf damit. Es ist Gott sei Dank vorbei. Ich habe mich geirrt.«
»Ja, Ihr habt Euch tatsächlich geirrt, Gwyn. Aber es ist nicht vorbei, längst nicht.
Auch wenn ich mich wiederhole, sage ich es noch einmal: Ich habe etwas, das Euer Griffyn gern hätte.«
»Ihr habt nichts, das ich besitzen will, Marcus«, sagte Griffyn endlich, ohne den Blick vom Horizont abzuwenden. »Ihr könnt mich umbringen, wenn Ihr Euch traut. Mir ist es egal.«
»Aber Guinevere ist es nicht egal.«
Ein kalter Schauder lief ihr den Rücken hinunter. Und der Grund war nicht der aufziehende Sturm.
»Er bedeutet Euch sehr viel, nicht wahr? Euch kümmert es sehr wohl, was mit Griffyn passiert, oder? Gwyn? Ich sehe es in Euren Augen. Ihr würdet alles für ihn tun. Fast alles.« Er lächelte. »Der kleine Hochverrat, den Ihr begangen habt, der Mann, den Ihr versteckt habt, das habt Ihr nicht für ihn getan. Aber sonst tut Ihr fast alles für ihn. Ihr wollt doch nicht, dass ihm etwas passiert?«
»Wovon redet Ihr?«, flüsterte sie.
Sein Blick richtete sich wieder auf Griffyns versteinertes Gesicht. »Henri fitzEmpress kommt schon bald hierher.«
Gwyn winkte ab. »Das wissen wir.«
»Er reitet nach Norden, als ob der Teufel hinter ihm her ist. Ich wette, das wusstet Ihr noch nicht. Er wird schon heute Abend hier sein. Vielleicht schon eher. Er kommt wegen Everoot.«
»Warum?« Sie brachte es nicht einmal über sich, Griffyn von der Seite anzuschauen, so groß war ihr Hass auf sich selbst.
Marcus schaute sie in gespieltem Erstaunen an. »Wer weiß das schon so genau ?
Vielleicht hat er ja von dem Verrat erfahren, der hier im Norden an ihm begangen wurde?«
Sie starrte ihn entsetzt an. »Nein, Marcus. Nein, nein!«
»Wusste er von Eurem Plan?« Von der Seite blickte er Griffyn abschätzend an. »Hat sie Euch erzählt, wie ich Eustace aus Eurer Burg fortschaffen sollte?«
»Hört auf!«
»Aber ich habe einen anderen Weg gewählt, Guinevere. Mir schien es klüger, ein paar Schritte in eine andere Richtung zu machen. Das hier schien mir das klügste Vorgehen.« Er zeigte auf die versammelten
Weitere Kostenlose Bücher