Die Verfuehrung Des Ritters
wortkarg war, was die wirklich wichtigen Einnahmequellen der Ländereien betraf, die sie erobert hatten. Raashid hatte mehr Jahre Erfahrung auf dem
Buckel als eine Hure Kunden unter ihrem Rock, und er hatte zudem ein geradezu beängstigendes Zahlenverständnis. Er begleitete Griffyn überallhin. Bis auf Griffyn -
und Raashid natürlich - wusste niemand, woher er kam, und die beiden verloren niemals ein Wort darüber.
Raashid nickte und wandte sich wieder an William. Er schenkte ihm ein herzliches Lächeln. »Ich schlage vor, Ihr berichtet mir lieber von den Geldreserven der Domäne und nicht von ihren Fischereirechten, Master William, ja?«
Griffyn ging zum Tor. Er wollte Alex suchen, aber stattdessen lief ihm Edmund über den Weg. Der Knappe hatte sich bereits um Noir gekümmert, ihn getränkt und trockengeführt. Und jetzt würde er sich wieder an Griffyns Fersen heften. Er legte eine Hand auf die Schulter des Jungen.
»Lady Guinevere ist ab sofort deine Aufgabe, Edmund.« Der Junge nickte beflissen.
Der Eifer der Jugend. »Sie darf nicht allein in ihrem Gemach bleiben«, erklärte er finster. »Später soll sie zum Essen herunterkommen und den Vertrag unterzeichnen, der unser Eheversprechen besiegelt. Wenn sie es wünscht, darf sie der Küche Anweisungen geben. Wenn sie es wünscht, darf sie auch die Kräuter im Mörser zerstoßen. Aber sie soll nach unten kommen. Sorg dafür, Edmund.«
»Ja, Mylord«, nickte Edmund. »Und wenn sie die Beichte ablegen möchte?«, fügte er hinzu, denn das machte schließlich jeder nach einer Kapitulation. Das wusste sogar Edmund mit seinen dreizehn Jahren. »Der Kaplan ist nämlich unten im Dorf, und ...«
»Ich werde mich darum kümmern. Sorge du nur dafür, dass sie zur Vesper nach unten kommt.«
»Ja, Mylord.«
Er wollte sich schon abwenden, doch dann fiel ihm noch etwas ein. »Lady Guinevere hat noch die Schlüssel.«
»Ja, Mylord.«
»Dann hol sie.«
»Ja, Mylord.«
Alex stand mitten im Innenhof der Burg in der gleißenden Sonne. Die anderen waren inzwischen in der Burg verschwunden. Der Wind blies heiß aus Westen. Alex wartete.
Sein Nacken und seine Achselhöhlen waren verschwitzt. Er konnte spüren, wie der Schweiß auf seiner Haut brannte, aber daran war er gewöhnt. Seit Jahren schon.
Heißer Wind und verdorrte Erde, die den gierigen Horden des Kreuzfahrerheeres, deren Pferde darüber hinweggaloppierten, jegliche Nahrung verweigerten.
Er hatte erlebt, wie Männer zu einem Nichts zusammenschrumpften. Sie waren zu klein, um wahre Größe zu beweisen. Selbst Griffyn war bisher daran gescheitert, sein wahres Schicksal auf sich zu nehmen. Erst wenn er sich seines Erbes annahm, würde er zu wahrer Größe gelangen.
Die Sonne briet Alex' Nacken. Er öffnete sein Kettenhemd und zog es langsam über den Kopf, dann drehte er den Kopf behutsam zur Seite. Seine Muskeln waren stark und von den Jahren, in denen er nicht nur ein Schwert, sondern auch die Lanze und den Bogen geführt hatte, gestählt. Aber jetzt, in dieser Hitze und nach der Heimkehr, fühlte er sich erschöpft. Seine Panzerung war bleischwer. Er zerrte sich das Gewicht herunter. Die scharfen Metallringe verfingen sich in dem dicken wattierten Wams darunter.
»Alexander«, sagte eine harsche Stimme hinter ihm.
Er drehte sich um und ließ das Kettenhemd zu Boden fallen.
Hinter ihm stand die vierschrötige Gestalt Fulks, den er schon vor dem Krieg gekannt hatte. Sie kannten sich sogar noch viel länger, denn sie waren einst Freunde gewesen, ehe der Abgrund
des Bürgerkriegs England entzweigerissen hatte. Fulk war sein Lehrmeister gewesen.
Und Fulk war auch einer der Hüter.
Ein verlogener Hüter. Er hatte vor achtzehn Jahren seinen Eid gebrochen und etwas getan, das noch kein Hüter vor ihm getan hatte. Er hatte Griffyns Vater verlassen, den Erben, und war stattdessen bei den de l'Ami geblieben.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die de l'Ami jeden in den Untergang trieben, war Fulk das lebende Beispiel dafür.
»Es stimmt also«, grollte Fulk. Seine Augen wirkten dunkel. »Du bist es.«
»Und du?«
Fulk blickte sich um. Sie waren nicht die Einzigen, die sich im Burghof aufhielten.
Aber sie standen allein in einer Ecke. »Du bist immer noch bei ihm.«
»Das bin ich«, bestätigte Alex. »Obwohl du nicht mehr an der Seite deines Herrn kämpfst.«
»Er ist nicht mehr hier.«
»Stimmt. Darum bist du bei ihr geblieben.«
»Wenn du mit >ihr< Lady Guinevere meinst, stimmt es, ja.«
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