Die Verfuehrung Des Ritters
Mund. »Ihr habt Euch mir schon einmal unterworfen.«
In diesem Moment wäre Gwyn vor Scham fast im Boden versunken. Sie richtete sich auf und unterdrückte ein entsetztes Keuchen. »Ihr habt nur eine einzige Nacht mit mir verbracht, Pagan. Verwechselt das nicht mit der Überzeugung, mich zu kennen.«
Sein Mund verzog sich spöttisch. »Ich kenne Euch.«
»Ihr wisst gar nichts. Ihr seid ein Kind, das den erwachsenen Mann spielt. So sind alle Ritter. Ihr erobert Land, das Eure Frauen und Kinder gar nicht wollen, hinterlasst verbrannte Erde und vaterlose Kinder. Hört mir zu, Pagan, denn das ist meine Meinung: Ich werde nicht vor Euch im Staub kriechen und um die Gnade flehen, meine Röcke anheben zu dürfen, wenn ich über den dreckigen Stallhof gehe. Das hier ist auch mein Zuhause.«
»Es wäre allerdings eine Gnade, wenn ich anderweitig Eure Röcke heben dürfte, wenn Ihr so wütend seid wie jetzt.«
»Dann könnt Ihr erwarten, mich zukünftig jede Nacht mit dieser Wut zu erleben. Ich bitte Euch, mir dann auch keine Gnade zu gewähren.«
Pagan ging auf sie zu. Er durchquerte das Sonnenfeld, das durchs Fenster in das Gemach fiel, und blieb vor Gwyn stehen. Der Klang seiner Stimme veranlasste sie, den Kopf heben. Sein Kinn wirkte entschlossen, die Augen waren eisgrau. Er hielt seine unmenschliche Wut kaum in Zaum. Es war das erste Mal, dass sie in seiner Gegenwart wirkliche Angst verspürte.
»Bedenkt nur eines, de l'Ami-Brut«, knurrte er, »meine Gnade ist im Moment das Einzige, das Euch noch retten kann.« Sein Gesicht war nur wenige Zoll von ihrem entfernt, sein Körper war ihrem noch näher und verströmte Hitze. »Wenn Ihr mich erzürnt, werdet Ihr mich um Gnade anflehen, und es wird bis zum Morgen dauern, bis ich sie Euch gewähre. Wie auch jeder anderen Seele in dieser Burg.«
Er wandte sich abrupt ab, hob seine Waffen auf und verließ das Zimmer. Die Tür schlug hinter ihm zu. Gwyn stand mitten
im Raum und taumelte. Lieber Gott, jeder in der Burg? Sie sollte sich ihm ganz unterwerfen? Und was geschah mit dem Thronerben, der krank unten im Keller lag?
Was würde geschehen, wenn Pagan das herausfand? Mit Entsetzen stellte sie sich vor, wie man ihren Kopf in eine Schlinge legte. Wie sie mit gebrochenem Genick an einem Ast baumelte.
»Mylady?«
Es war einige Zeit vergangen, als sie die Stimme vom Gang her hörte. Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, und ein fremder Junge steckte den Kopf durch die Tür.
»Mein Herr wünscht die Schlüssel zur Burg«, sagte er zögernd und wies mit einem Nicken auf den großen Schlüsselring, der an ihrem Gürtel hing. Sie blickte hilflos auf den Eisenring. »Und er möchte Euch zur Vesper unten in der Halle sehen.«
»Was ist mit meinem Stundengebet?«, fragte sie. Ihre Stimme zitterte. Sie wollte ihren Beichtvater sehen.
Der Blick des Jungen war besorgt, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Wenn es Euch nichts ausmacht, Mylady, hat mein Herr gesagt, würde er sich darum kümmern.«
Sie sank aufs Bett, und presste eine Hand auf ihre Brust, in der ihr Herz hämmerte.
6. KAPITEL
Griffyn polterte die Wendeltreppe hinunter wie ein wild gewordener Stier, und legte sich im Laufen den Gürtel wieder um. Am Fuß der Treppe geriet er in das Getümmel, das in der großen Malle herrschte. Diener, Soldaten und Knappen eilten hin und her, wichen zwischen den Tischböcken, Wandbehängen und umgestoßenen Bänken aus, die überall herumlagen, während das Alte dem Neuen Platz machte.
Raashid, der Muslim in mittleren Jahren, der schon seit Langem eine von Griffyns Burgen verwaltete, unterhielt sich in einer Ecke des Raums mit dem glatzköpfigen Seneschall William. Griffyns Ritter kamen und gingen, griffen sich Essen von den Tabletts und beäugten die Frauen, die hin und her huschten. Es herrschte ein heilloses Durcheinander. Aber alle hielten inne, als Griffyn die Halle betrat.
»Und die Flüsse sind versiegt, aber selbst, als sie es nicht waren, hatten wir im Frühsommer...«, klang die dünne Stimme Williams vom anderen Ende der Halle herüber. Er schien Raashid gerade die Einnahmequellen der Domäne aufzuzählen. Er drehte sich um und starrte den neuen, offenbar erzürnten Lord von Everoot an.
Griffyn wechselte einen Blick mit Raashid und fragte mit einem stummen Nicken in Richtung William, ob sein Freund mit dem alternden Verwalter zurechtkam. Raashid nickte und lächelte. Griffyn wandte sich ab. Raashid würde dem Mann schon alles entlocken, auch wenn er recht
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