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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kann.«
»Was für eine hervorragende Idee!« sagte Ben vom
Fenster her. »Warum zieht er nicht gleich selbst hier
ein. Dann hört er aus erster Hand, was wir miteinander reden.«
Selbst Mike fiel es für einen Moment schwer, den
Worten seines
Freundes Glauben zu schenken. Er
zweifelte nicht daran, daß Paul bis zum heutigen Tage
keine Ahnung vom Schicksal seiner Mitschüler gehabt hatte - aber die Vorstellung, daß Kapitän Winterfeld so weit ging, seinen eigenen Sohn gefangenzusetzen, erschien ihm doch zu verrückt.
Es sei denn, flüsterte eine Stimme in seinen Gedanken, das, was er auf jener geheimnisvollen Karibikinsel zu finden hoffte, war noch viel, viel wertvoller, als
sie alle bisher angenommen hatten.
    Mitternacht kam und ging, und an Bord kehrte allmählich eine gewisse Ruhe ein. Sie hatten noch lange
zusammengesessen und geredet, bis es schließlich Zeit
zum Abendessen war und sich Ben, Juan und André
in ihre eigene Kabine zurückzogen. Auch Miß McCrooder - die als einzige eine Kabine für sich allein
hatte - war gegangen, wobei sie Chris mitgenommen
und erklärt hatte, es mache ihr nichts aus, sich für
diese Nacht das Zimmer mit ihm zu teilen; am nächsten Morgen würde man weitersehen und zur Not ein
drittes Bett in Mikes Kajüte aufschlagen lassen. Daß
sie in dieser Nacht nicht schlafen würden und allesamt hofften, daß es ohnehin ihr letzter Abend auf
diesem Schiff war, wußte Paul nicht - und sie hüteten
sich, auch nur eine Andeutung in dieser Richtung zu
machen. Sie hatten die Zeit, in der Paul einmal zwischendurch die Toilette aufgesucht hatte, genutzt, um
sich zu einigen, ihn in diesem Punkt im unklaren zu
lassen. Wenn er tatsächlich im Auftrag seines Vaters
hier war, um sie auszuspionieren, durfte er auf keinen Fall etwas von ihrem Vorhaben erfahren. Und
wenn nicht - nun, dann schadete es nichts, wenn er
erst in allerletzter Sekunde davon erfuhr. Mike hatte
ein schlechtes Gewissen bei dieser Vorstellung, aber
er beugte sich schließlich dem Willen der Mehrheit
und tröstete sich damit, daß Paul ihre Vorsicht verstehen würde.
Sie waren übereingekommen, sich zwei Minuten vor
der verabredeten Zeit in Mikes Kabine zu treffen, wobei Miß McCrooder der gefährlichste Teil des Planes
zukommen würde - nämlich, die Wachen abzulenken,
die sonst mißtrauisch werden konnten.
Nun ging es allmählich auf eins zu. Mike mußte sich
beherrschen, um nicht immer öfter auf die Uhr zu sehen, während er mit Paul zusammensaß und redete.
Er hatte gehofft, daß Paul irgendwann müde werden
und einschlafen würde, aber das Gegenteil war der
Fall - er wurde immer munterer und ließ sich von
Mike über die Gespräche mit seinem Vater in allen Einzelheiten berichten.
»Weißt du«, sagte er dann, »irgendwie glaube ich, daß
Vater recht hat mit seiner Vermutung, daß du den
Schlüssel zu dem Geheimnis besitzt.«
Mike sah seinen Freund einen Augenblick lang durchdringend und verwirrt an, dann begriff er, daß Paul
diesen Blick ebensogut als mißtrauisch deuten konnte, und zwang sich zu einem Lächeln. »Bestimmt
nicht«, sagte er. »Ich hätte es ihm längst gesagt, wenn
es so wäre. In einer Sache stimme ich ihm nämlich zu
- ich bin sicher, daß er die Insel früher oder später sowieso findet, ob mit oder ohne meine Hilfe. Ich will
nur noch hier raus und die anderen auch. Es interessiert mich mittlerweile gar nicht mehr, was er auf
dieser Insel zu finden hofft.«
»Aber mich«, entgegnete Paul. »Und zwar brennend.
Egal, was die anderen von meinem Vater halten: Er
ist ein ehrlicher Mann. Wenn er sich zu so etwas hinreißen läßt, dann muß es sich um etwas wirklich Kolossales handeln.« Er legte den Kopf schräg und sah
Mike aus eng zusammengekniffenen Augen an.
»Überleg noch mal«, sagte er. »Dein Vater muß doch irgendeine Andeutung gemacht haben.«
»Ich habe ihn ja nicht mal gekannt«, erinnerte Mike.
»Ich weiß nicht einmal genau, wie er ausgesehen hat.
Aber ich weiß, daß er nichts mit Politik oder Krieg im
Sinn gehabt hat. Er war ein Beamter, das ist alles.«
»Das mag schon sein«, wiederholte Paul. »Aber irgend
etwas - hat er dir rein gar nichts hinterlassen? Keinen Brief, kein Andenken?«
»Doch«, antwortete Mike spitz. »Eine ganze Mappe
mit Briefen sogar. Dein Vater hat sie.«
Paul fuhr bei diesen Worten zusammen. Ein Schatten
huschte über sein Gesicht, und Mike kam sich gemein
vor, daß er sich diesen billigen Triumph nicht hatte verkneifen können. Hastig zog er den Anhänger unter

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