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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Höhe.
Die Druckwelle ließ die Jacht erbeben wie ein welkes
Blatt im Sturm, und ein ganzer
Schwall
eiskalten
Wassers ergoß sich über das Deck und durchnäßte sie
bis auf die Knochen. Singh fluchte lauthals in seiner
Muttersprache und drehte wie wild am Ruder, um das
Schiff auf dem plötzlich kochenden Meer auf Kurs zu
halten, und Mike klammerte sich an der Reling fest.
»Was war das?« keuchte André erschrocken.
»Was soll das schon gewesen sein, Schlaumeier?« fragte Ben böse. »Pauls Vater macht Ernst.« Er durchbohrte Paul mit Blicken. »Das war ein Warnschuß.
Und ich gehe jede Wette ein, der nächste trifft.«
Auch Paul war von der Erschütterung fast von den
Füßen gerissen worden. Mühsam rappelte er sich wieder hoch und sah zur LEOPOLD zurück. Sein Gesicht
war völlig weiß geworden.
»Das kann doch nicht sein!« stammelte er. »Das kann
er doch nicht machen!«
Als hätte sie nur auf ein Stichwort gewartet, gab die
LEOPOLD in diesem Moment einen zweiten Schuß
auf sie ab. Diesmal lag der Einschlag wesentlich
näher. Plötzlich drehte Singh mit aller Kraft und so
schnell am Ruder, daß sich das Schiff auf die Seite
legte wie ein Radfahrer in einer scharfen Kurve. Der
Mast ächzte unter der Belastung, und das Segel war
plötzlich so straff gespannt, als wolle es zerreißen. Erschrockene Schreie gellten über das Deck, und vor
Mikes ungläubig aufgerissenen Augen vollführte die
Jacht ein Manöver, das er nie für möglich gehalten
hätte. Sie machte praktisch auf der Stelle kehrt und
jagte nun direkt auf die Felseninsel zu - und die gefährlichen Riffe davor!
»Singh!« kreischte Mike entsetzt. »Willst du uns umbringen?«
Singh schien seine Worte nicht zu hören,
sondern
hielt das Boot mit
eiserner Hand weiter auf Kurs.
Mike klammerte sich wieder an der Reling fest. Doch der
vernichtende Aufprall, auf den er wartete, kam nicht.
Rechts und links der Jacht durchstießen immer wieder spitze Felsen die Wasseroberfläche, aber die Fahrrinne unmittelbar vor ihnen war frei. Es gab einen
Weg durch die Riffe, und ganz offensichtlich kannte
Singh ihn.
Allerdings fragte sich Mike, wohin
Singh
überhaupt
wollte. Selbst wenn sie die Riffe überwanden - vor ihnen war nichts als senkrechter, unübersteigbarer
Fels, an dessen Fuß sich die Wellen mit Urgewalt brachen. Trotzdem hielt Singh immer weiter auf die Insel
zu. Die Jacht wurde immer schneller und schwankte
manchmal nach rechts oder links, wenn der Inder
dem Verlauf der unsichtbaren Fahrrinne folgte. Dann
und wann schrammte etwas unter dem Rumpf entlang
oder schlug unter Wasser gegen die Bordwand.
Mike sah zur LEOPOLD zurück. Das große Schiff war
noch weiter zurückgefallen und verlor jetzt sichtlich
mehr und mehr an Tempo. Sein Kapitän hatte wohl
eingesehen, daß er der Jacht nicht auf demselben Weg
folgen konnte, und zog es
vor,
sein Schiff nicht
unnötig in Gefahr zu bringen.
Das brauchte er auch nicht. Mike beobachtete voller
Entsetzen, wie einer der
großen Geschütztürme am
Vorderdeck herumschwenkte, sich genau auf die
Jacht richtete - und eine grelle Feuerzunge ausstieß!
Der dumpfe Knall und die weiße Schaumexplosion vor
ihnen erfolgten nahezu gleichzeitig. Die Jacht erzitterte wie unter einem Hammerschlag. Holzsplitter und
winzige, scharfkantige Steintrümmer regneten auf sie
herab, und in dem Segel über Mikes Kopf gähnte
plötzlich ein fast metergroßes, schwarzgerändertes
Loch. Winterfeld machte nun tatsächlich Ernst.
»Der nächste Schuß trifft«, sagte Paul. In seinem Gesicht stand das pure Entsetzen geschrieben. »Sie bringen uns um.«
Selbst Mike glaubte mittlerweile nicht mehr daran,
daß die LEOPOLD nur Warnschüsse abgab. Winterfeld wollte sie vielleicht nicht umbringen, aber er
schien entschlossen, die Jacht unter allen Umständen
zu stoppen, und nahm dabei in Kauf, sie zu verletzen
oder auch einen oder mehrere von ihnen zu töten.
Mike sah, wie das Geschützrohr ein wenig herumschwenkte. Verzweifelt blickte er nach vorne. Die
Felswand raste regelrecht auf sie zu. Noch ein paar
Sekunden, und sie würden daran zerschellen, falls sie
nicht vorher von einer Granate getroffen und in
Stücke gerissen wurden!
Und das Schiff schoß weiter auf die Insel zu. Die Felsen kamen näher, immer schneller und schneller, wie
eine granitene Faust, die sie zerschmettern würde und dann waren sie plötzlich fort, und da, wo vor einer Sekunde noch eine scheinbar unüberwindliche
Barriere gewesen war, tat sich ein schmaler Kanal
auf. Hinter ihnen

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