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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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es regnete stärker als zuvor. Der Himmel wurde dunkel, und in den fernen Bergen gewitterte es. Bingham schlug vor, ins Haus zu gehen und das Unwetter abzuwarten, aber Wilson bestand darauf, sofort aufzubrechen.
    »Die Regenzeit dauert hier bis April«, sagte Wilson. »Es hat absolut keinen Zweck, abzuwarten.«
    »So gesehen klingt es tatsächlich albern«, meinte Bingham unter seinem breitkrempigen Hut. »Na, dann machen wir uns wohl tatsächlich auf den Weg.« Er ging zurück ins Haus, zog die Kappe seines Füllers ab und schrieb auf ein Blatt Papier: Habe mich aufgemacht, um Vilcabamba zu entdecken – wie ich hoffe. Werde in zwei Wochen zurück sein. Er setzte seine Unterschrift und das Datum darunter.
    Dann drehte er die Öllampe aus, ging hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Das Blatt Papier drückte er in Augenhöhe an die Tür und befestigte es mit einer Reißzwecke. Er hinterließ immer eine Nachricht an der Tür, wenn er auf Forschungsreise ging.
    »Wissen Sie, was ich an den Peruanern so schätze?«, fragte Bingham, als er in den strömenden Regen trat. »Man braucht das Haus nicht abzuschließen. Sie sind so ehrlich, denen würde nicht im Traum einfallen, etwas zu stehlen.«
    »Was steht auf dem Zettel?« Wilson zeigte auf die Tür.
    »Dass ich in zwei Wochen wieder da bin. Ich bekomme Besuch von einem alten Freund«, erklärte Bingham. »Professor Harry Foote. Er wird nächste Woche mit dem Zug von Yale kommen. Ein prächtiger alter Knabe, Botaniker, wissen Sie. Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht.«
    »Hoffentlich werden Sie bis dahin zurück sein«, sagte Wilson.
    Bingham schaute liebevoll auf den selbst gepinselten Schriftzug des »Pan Am Pacific Congress« über der Tür. »Auf Wiedersehen, Heim fernab der Heimat!«, rief er aus, dann schwang er das Bein hoch und sprang auf den Eselsrücken.
    Wilson saß bereits auf seinem Esel, der unter dem beträchtlichen Gewicht nach rechts und links wich. »Wir reiten nach Nordwesten«, kündigte er an.
    »Und Sie wissen ganz genau, wohin wir wollen?«, fragte Bingham zweifelnd.
    »Zunächst zu dem Dorf Torontoy am Eingang der großen Urubamba-Schlucht.«
    »Nie gehört.« Bingham sah Wilson von oben bis unten an. »Was meinten Sie noch, woher Sie den Weg kennen?«
    »Ich bin schon dort gewesen.« Wilson gab seinem Esel einen Tritt, woraufhin sich das Tier schlingernd in Bewegung setzte. »Glauben Sie mir, Hiram, ich weiß, was ich tue.«

7.
    C USCO , P ERU K ATHEDRALE O RTSZEIT : 14.58 U HR 16. J ANUAR 1908
    Hauptmann Gonzales stand im strömenden Regen vor der Basilika. Seine Männer standen auf den oberen Stufen der Treppe zwischen dem Kirchengebäude und der wütenden Menschenmenge, die während der letzten drei Tage beständig angewachsen war. Ab und zu schaute er über die Schulter zu dem reglosen Leib von Corsell Santillana hinauf, der noch immer gekreuzigt am Glockenturm hing. Bei dem Anblick wurde ihm jedes Mal wieder schlecht.
    Er hatte Corsell und seinen Bruder Juan schon gekannt, als sie noch Knaben gewesen waren. Und jetzt war Corsell tot und Juan auf mysteriöse Weise verschwunden. Seit Wochen hatte ihn keiner mehr gesehen. Gonzales schaute suchend über die Menge und fand die Mutter der beiden in der vordersten Reihe, auf Knien, Tränen des Entsetzens in den geröteten Augen und auf den blassen Wangen. Sie weinte unablässig, seit sie vom schrecklichen Schicksal ihres Sohnes erfahren hatte. Seit fast drei Tagen kniete sie an ein und derselben Stelle, ohne etwas zu essen oder zu trinken. Sie hatte ihren jüngsten Sohn am Kreuz sterben sehen, während zahllose Stimmen ihm Beleidigungen entgegenschrien. In gewisser Hinsicht war es schlimmer gewesen, sie dort knien zu sehen, als Corsells Sterben mitzuerleben. Das Schicksal des jungen Mannes war besiegelt; doch vor seiner Mutter lag nun ein trauervolles Leben. In ihren runzeligen, nassen Händen hielt sie einen zierlichen Rosenkranz mit einem silbernen Kreuz. Es hieß, Bischof Francisco habe sie in die Kirche gerufen, um ihr den übel zugerichteten Leichnam von Monseñor Pera zu zeigen, ehe er ihr dessen Rosenkranz übergab. Was er ihr am Ende der Begegnung zuflüsterte, habe niemand hören können. Sie sei daraufhin hinaus in den Regen gegangen und an dem Fleck auf die Knie gefallen, wo sie jetzt noch kniete.
    Gonzales stand wie eine Statue da, das gebräunte Gesicht reglos, die kräftigen Hände hinter dem Rücken verschränkt. In seiner gut sitzenden blauen Offiziersuniform mit den

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