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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Entfernung auf Meeresspiegelniveau. Das heißt, ich darf heute Abend essen, was ich will.« Dann lächelte sie, was selten geschah.
    Das war vor einer Stunde gewesen. Seitdem waren sie die gepflasterte Straße zum Wachhäuschen hinaufgegangen, hatten ihre Pässe vorgezeigt und waren dann langsam durch die alten Terrassen zum Wächterhaus hinaufgestiegen. Und ständig hatte man das Tosen des angeschwollenen Urubamba gehört.
    Die Aussicht auf die wolkenlosen Anden war atemberaubend, doch Helena gönnte der Schönheit kaum einen Blick. Erstaunlicherweise war es Chad, die stehen blieb und darauf hinwies, wie die schillernden Lichtstrahlen in die tiefen, schattigen Täler fielen.
    Doch Helena hatte anderes im Kopf. Ihre schlimmsten Befürchtungen gewannen allmählich die Oberhand, und sie fragte sich, ob ihre Verbindung zu Wilson gekappt worden war, weil er tatsächlich eine Mutter und ihre Kinder ermordet hatte. Schaudernd dachte sie an den Moment zurück, als Don Eravisto seinen Colt auf sie gerichtet hatte. Es hatte etwas zutiefst Verstörendes gehabt, in die Mündung zu blicken. Es war Helena vorgekommen, als wäre sie in die kalte Schwärze des Laufs hineingezogen worden – ein Gefühl, das sie nie wieder erleben wollte.
    Seit sie Wilson zum ersten Mal gesehen hatte, fühlte sie sich wie in einem Wirbelsturm. Was sie einmal geliebt hatte, war bedeutungslos geworden, und sie hatte ihre Wertmaßstäbe und ihr Denken ändern müssen. All ihre Hoffnungen und Fantasien kreisten jetzt um Wilson, als hätte er ihr die alten Träume gestohlen und ersetzt durch die verrückte Sehnsucht, dass er vielleicht doch noch einmal auftauchen könnte. Nicht, dass ihr Leben vorher so toll gewesen wäre. Doch damals hatte sie wenigstens die Kontrolle über sich und ihre Gefühle gehabt, in einer wirklichen Welt mit wirklichen Menschen. Der Mann, mit dem sie jetzt zusammen sein wollte, war ein Zeitreisender! Allein der Gedanke daran frustrierte sie. Es gab mehr Fragen, als sich je beantworten ließen. Sie gab sich alle Mühe, ihre Gefühle zu unterdrücken, doch sie schaffte es nicht. Nach dem, was sie gesehen hatte, war Wilson im vergangenen Jahr um etwa zehn Jahre gealtert. Wie war das möglich? Offenbar verging die Zeit für ihn in einem anderen Tempo.
    Ihre Träume hatten sie auf den Machu Picchu geführt, in die peruanischen Anden. Und nun spürte sie nichts, obwohl sie dringend ein Zeichen der Hoffnung gebraucht hätte. Was war aus der Verbindung zwischen Wilson und ihr geworden, und wo lagen die Antworten, nach denen sie sich so dringend sehnte? Während sie an einer gepflegten Terrasse entlangging, sah sie dort grasende Lamas stehen. Stolze Tiere, wie sie fand. Ihr Blick fiel auf den Bewässerungskanal, der parallel zur Terrasse verlief, und sie fragte sich erneut, ob Wilson hier gewesen war. Das Wasser, das aus dem Berg kam, war klar und floss schnell durch das Aquädukt. Helena wollte glauben, dass Wilson Bingham hierher geführt hatte, doch in dessen Autobiografie fand sich nicht einmal eine Andeutung, die darauf schließen ließ. Wie immer bei Wilson Dowling konnte man bestenfalls Vermutungen anstellen.
    Helena ging die Stufen hinunter und sah, wie ihr Schatten ins Urubamba-Tal fiel. Sie bog nach links ab und lief an einer weiteren Terrasse entlang und an Nustas Schlafgemach vorbei auf den rundlichen Gipfel des Huayna Picchu zu. Als sie die letzte Treppe erreicht hatte, leuchtete der Sonnentempel weiß im Sonnenschein. Voller Vorahnung trat sie durch das Tor auf das offene Plateau und näherte sich dem sechs Meter hohen, dreieckigen Eingang zum inneren Heiligtum. Es schien, als sei der schwarze Granit mit einer Axt herausgehauen worden. Drinnen blickte Helena auf drei unregelmäßige Stufen, die an der glatten Granitwand endeten. Pablo hatte gesagt, sie repräsentierten den Weg zwischen der Unterwelt und dem Himmel, doch Helena hatte ihre Zweifel. Während sie über das Seil stieg, das die Touristen vom Betreten abhalten sollte, bemerkte sie zwei Namen, die in den mittleren Stein geritzt waren:
    Jesús Velarde
    Juan Santillana
    1908
    Das Datum fiel Helena ins Auge. Sie erinnerte sich, dass Hiram Bingham die Ruinenstätte 1911 entdeckt hatte. Wenn das Datum stimmte, waren diese beiden Männer schon drei Jahre vor ihm hier gewesen. Jesu´ s und Juan hatten sogar frech ihre Namen in dem heiligsten Bauwerk der Zitadelle hinterlassen.
    Chad stand draußen mit dem Blick zur Treppe und passte auf, ob sich jemand näherte.

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