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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Sie war milchig weiß verschwommen, als stünde sie in bewegtem Wasser. Wie gebannt starrte er sie an und konnte den Blick nicht von ihr losreißen.
    »Je weiter die Zeit voranschreitet, desto mächtiger wird der Würfel«, fuhr Aclla fort. »Dir bleibt keine Wahl, als mitzukommen.«
    Wilson sah fasziniert zu, wie die schimmernde Gestalt die Hand nach der Stufe ausstreckte, auf der der Inka-Würfel gelegen hatte.
    Plötzlich war die Frau deutlich zu erkennen.
    Es war Helena Capriarty, und sie drückte die Hand auf die Stufe. »Sie haben dich umzingelt!«, rief sie. »Du musst fliehen!«
    Wilson stand mit offenem Mund da und rührte sich nicht.
    Helena war ganz in Schwarz – Bluse mit aufgekrempelten Ärmeln, Wanderweste, Cargohose. Ihre kurzen blonden Haare verschwanden unter einer Baseballkappe.
    »Du musst fliehen, los!«, rief sie. »Sie kommen von zwei Seiten! Es sind drei, mit gespanntem Bogen!«
    Wilson spähte zu Aclla hinauf. Offensichtlich konnte sie Helena nicht hören. Bilde ich mir das ein?, fragte sich Wilson. Beim Blick in Helenas Augen überwältigten ihn seine Gefühle. Es tat so gut, sie wiederzusehen. Es war acht Jahre her, und sie hatte sich überhaupt nicht verändert.
    Aber war sie es wirklich?
    Helena behielt die Hand auf der Steinstufe, als käme nur dadurch der Kontakt zwischen ihnen zustande. Er fand das nicht logisch, war aber fest überzeugt, dass sie wirklich vor ihm stand.
    »Komm in vier Stunden wieder her!«, rief sie und zeigte drängend auf die nördlich gelegene Treppe. »Du musst jetzt verschwinden!«
    Wilson drehte sich um und hechtete auf die Böschungsmauer zu. Ein Sprung, und er flog mit ausgestreckten Armen auf das Urubamba-Tal zu wie ein Vogel. Er schlug Saltos, um seinen Fall zu bremsen, als zwei Pfeile an ihm vorbeizischten. Einer streifte seine Jacke, der andere verfehlte knapp seine Wange.
    Wilson schlug weitere Saltos. Sein Flug wurde ungleichmäßig, als er sich dem Urwald näherte. Die Luft rauschte an seinen Ohren, und er fühlte das Adrenalin in seinem Blut.
    Die Zeit schien zu stocken, wie immer, wenn er dem Tod ins Auge sah.
    Es ist schön, sie wiederzusehen, dachte er.
    Sechshundert Meter unter ihm strömte der Urubamba durch die tiefste Stelle der Talsohle. Der Himmel war strahlend blau. Klarer Sonnenschein lag auf den oberen Bergregionen, die unteren waren in grüne Dunkelheit getaucht. Was für ein Anblick!
    Dann erreichte er die Baumwipfel, gleich würde er aufschlagen.
    Das würde übel wehtun.

36.
    A NDEN , P ERU M ACHU P ICCHU O RTSZEIT : 17.32 U HR 19. J ANUAR 1908
    »Ich hatte euch befohlen, nicht näher zu kommen!«, rief Aclla vom Sonnentempel herab. Sie sprach jetzt Quechua. »Wilson Dowling denkt jetzt, dass wir ihn von Anfang an töten wollten!«
    Sie tänzelte am Mauerrand entlang und sprang fünf Meter weit zur nördlichen Treppe. Ohne Bingham einmal anzusehen, lief sie die Stufen hinunter und zwischen die Bäume ins Gras, wo sein erloschener Zigarettenstummel lag. Dann rannte sie auf die Böschungsmauer zu. Ihre drei Kriegerinnen beugten sich bereits darüber und schauten in die Schlucht.
    »Er kann den Sturz nicht überleben«, sagte Orelle.
    »Er wäre nicht gesprungen, wenn er es nicht glaubte«, meinte Sontane.
    »Ich hatte euch befohlen, erst aktiv zu werden, wenn er sich weigert!«, sagte Aclla zornig. »Warum habt ihr das getan?«
    »Wir waren geistig vereinigt, und Sontane verlangte es«, erklärte Ilna. »Es war eindeutig, dass der Blauäugige nicht mitkommen würde. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben.«
    Aclla sah Sontane in die Augen. »Er ist entkommen, weil er spürte, dass ihr kamt!« Sie schlug mit der Faust auf die Mauer. »Der Mann, der in den Abgrund gesprungen ist, wird nun uns jagen – begreifst du das? Deinetwegen ist unsere Lage jetzt noch schlimmer als vorher.«
    »Als er sprang, blieb uns nichts anderes übrig, als auf ihn zu schießen«, erwiderte Sontane. »Er wollte fliehen. Wir haben kein Unrecht getan.«
    »Der Fehler wurde vorher begangen. Du hast vorschnell gehandelt, Sontane. Du hast gehört, was der Mann sagte. Er weiß von dem Würfel und seiner Verbindung zum Sonnengott. Er kennt seine Macht.«
    Sontane schlang den Bogen über die Schulter. »Männern darf man nicht trauen, besonders dann nicht, wenn es um den goldenen Würfel geht. So habe ich es gelernt. Dieser Mann«, sie zeigte zum Urwald hinab, »ist keine Ausnahme. Sie kommen her und plündern, was ihnen vor die Füße kommt. Sie kümmern sich nicht um

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