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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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nicht unseren Glauben hat. Er ist Indianer und unsere Verbindung zur Außenwelt. Wir beten jeden Tag, dass er unbeschadet zurückkehren möge, ungeachtet der Götter, die er verehrt.«
    Die Nonnen, die bei ihm am Tisch saßen, nickten.
    »Wir freuen uns immer, wenn er kommt«, fügte eine hinzu.
    »Er bringt uns auch Zeitungen mit, wenn möglich«, erzählte Schwester Daniela.
    Danach war Wilson allein weitergewandert. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, als er sich nach Gesellschaft gesehnt hatte, aber das war lange vorbei. Seine Erfahrungen hatten schließlich dazu geführt, dass er den Wunsch beiseiteschob. Er hatte sich das Alleinsein angewöhnt. So war es leichter zu überleben, nicht nur physisch, sondern auch seelisch.
    Unschlüssig schaute er die nasse Granitwand hinauf. Nicht einmal er konnte dumm genug sein, diesen Aufstieg tatsächlich in Angriff zu nehmen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als um den Berg herumzugehen und ihn von der Westseite zu besteigen, wie Helena gesagt hatte.
    Ein ferner Blitz erhellte den Himmel und blendete ihn so stark, dass Wilson die Augen zusammenkniff. Gerade weil sein Sehvermögen im Dunkeln so gut war, machte ihm plötzliche Helligkeit zu schaffen. Als er die Augen wieder aufmachte, musste er noch einen Moment warten, bis er wieder klar sehen konnte.
    Der Weg, der vor ihm lag, führte über Felsbrocken, die sich im Lauf der Zeit von dem Felshang gelöst hatten. Es war einfacher, über Steine zu laufen als durch dichtes Unterholz, und so schlug er ein schnelles Tempo an und sprang von einem Felsbrocken zum anderen.
    Währenddessen dachte er an Helena. Er wünschte sich den Augenblick zurück, bevor sie die Hand von der Stufe genommen hatte und in der Dunkelheit verschwunden war. Er hätte ihr gern gesagt, wie glücklich er über das Wiedersehen war, doch die Jahre der Einsamkeit hatten ihre Spuren hinterlassen: Um sich zu schützen, hatte er sich im Laufe der Zeit immer mehr von seinen Gefühlen distanziert. Außerdem hatte er nicht damit gerechnet, Helena je wiederzusehen. Ihre Begegnung traf ihn völlig unvorbereitet. Erst jetzt, nach zwei ganzen Tagen, konnte er sich langsam mit seinen Gefühlen auseinandersetzen. Er hatte sich jahrelang gesagt, dass die Dinge nie wieder dieselben wären, wenn man an eine Vergangenheit anknüpfen wollte, die so weit zurücklag – und davon war er nach wie vor überzeugt. Für ihn waren acht Jahre vergangen, sie dagegen hatte nur ein Jahr gewartet.
    Helena hatte ihn fasziniert, wie sie dort von den Sternen beschienen im Dunkeln gestanden hatte. Es sah wunderbar aus, wie ihr der fransige Pony über die Augen fiel, dazu ihr schönes Gesicht und der Klang ihrer Stimme. Erst jetzt konnte Wilson wirklich würdigen, was für ein Geschenk ihre Begegnung gewesen war. Und er hoffte, dass ihr Zusammentreffen einem größeren Zweck diente. Er wusste jetzt, dass sie wie er war, eine Frau, die aufgrund ihrer physischen Beschaffenheit durch die Zeit reisen konnte – schon ihre verblüffend blauen Augen deuteten darauf hin. Gern hätte er ihr das gesagt, aber was würde es nützen? Er konnte nicht wissen, ob es für ihn einen Weg zu ihr gab, und wenn ja, hieß das noch nicht, dass sie je die Möglichkeit haben würde, durch die vierte Dimension zu reisen wie er.
    Er sprang von einem flachen Stein in dichtes Unterholz. Der Regen prasselte durch die Bäume, während Wilson sich auf allen vieren voranbewegte und mitunter bis zu den Ellbogen im Morast versank.
    Ihm kam in den Sinn, dass er angeblich die Frau und Kinder eines gewissen Lucho Gonzales töten würde. Ihm war unbegreiflich, dass er solch eine Tat begehen sollte, egal unter welchen Umständen. Doch die Geschichte, wie Helena sie kannte, wusste es besser. Würde er seine Zukunft ändern können, wenn etwas Wahres daran war? Seiner Erfahrung nach ließen sich viele Abläufe ändern, doch das Schicksal wollte es nur zu oft, dass an den wichtigsten Dingen nicht zu rütteln war. Im Auftragstext hatte gestanden, dass der Inka-Würfel für alle Zeiten im Sonnentempel verwahrt bleiben sollte. Was seit seinem Diebstahl passiert war, stellte eine Abweichung dar, ebenso wie die Kreuzigung von Corsell Santillana. Auch Wilsons überraschende Begegnung mit Helena hatte ganz sicher damit zu tun. Wäre der Inka-Würfel nicht gestohlen worden, hätte Wilson sie nicht wiedergesehen.
    Seine Gedanken wanderten zu Aclla und den Sonnenjungfrauen. Welche Rolle spielten sie bei dem Ganzen? Würden sie ihm helfen

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