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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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nicht bemerken würde. Sie traten aus der Gasse und gingen auf ein prächtiges Gebäude zu. Das musste der Haupttempel sein, denn er blickte auf fünfzehn Eingänge, hinter denen Licht brannte.
    Aclla stieg langsam die Stufen hinauf. Wilson betrachtete sie dabei und spürte, dass sie sich seines Blickes bewusst war. Sie war wirklich eine Schönheit, und Wilson bestaunte ihre gesunde Kraft und die Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen, wie er sie auch an einem Leoparden bestaunt hätte. Ihre langen dunklen Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden, die nass über ihren Rücken hingen. Wilson musste zugeben, dass er sich intuitiv sexuell angezogen fühlte. Bei Helena war das anders gewesen, als er sie in der Tempelkammer hatte stehen sehen.
    Sie gingen auf die mittlere Tür zu und traten aus dem stürmischen Regen unter das dicke Strohdach. Er sah Feuerschein durch den Spalt unter der schweren Tür flackern und roch Holzrauch. Aclla drückte die Tür auf und ging hinein.
    Wilson sah neun Kriegerinnen in dem gleichen Aufzug wie Aclla, vier auf der einen, fünf auf der anderen Seite. Die Ehrengarde stand stramm, das Kurzschwert am Oberschenkel, den Blick starr geradeaus gerichtet. Sie waren alle gleich alt, braunhäutig, sehr groß und körperlich fit.
    Die Wärme im Tempel war angenehm, genauso wie das goldene Licht von den vier großen Feuern, die in dem knapp achtzig Meter langen Gebäude in gleichem Abstand voneinander brannten. Der Rauch zog durch vier schmal zulaufende Kamine ab, sodass die Luft frisch war. Der Boden bestand aus glänzendem Hartholz und war so sorgfältig gezimmert, dass keine Ritze zwischen den hellen Dielen zu sehen war. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, war von dem Wetter draußen nichts mehr zu hören.
    In der Mitte des Tempels standen drei Gestalten mit Kapuze auf dem Kopf auf einer runden schwarzen Steinplatte von etwa sechs Metern Durchmesser, die sich perfekt in den Holzboden einfügte. Als Wilson näher trat, vermutete er, dass die Platte nicht aus Granit, sondern aus Obsidian bestand, weil sie so sehr glänzte.
    Eine der Gestalten hob einen knochigen Finger und zeigte auf ihn.
    »Ich habe nicht geglaubt, den Tag zu erleben, an dem ein Mann die heiligste aller Stätten betritt.« Die Stimme der Frau war dürr und alt, als hätte sie schon viele Generationen überdauert. »Ich spüre die Lust in den Lenden der Kriegerinnen, wenn sie ihn ansehen. Es bereitet mir Übelkeit«, zürnte sie.
    »Sie sind nur Menschen«, entgegnete eine andere Kapuzengestalt mit etwas tieferer Stimme. Die Gesichter der drei lagen völlig im Dunkeln.
    »Komm näher«, sagte die dritte Gestalt mit schwacher Stimme und winkte Wilson mit bedächtiger Geste heran.
    Aclla ging neben ihm her auf die verhüllten Frauen zu. Sie waren weder groß noch beeindruckend und vom Alter gebeugt. Doch ihre unheimlichen Stimmen und die glänzende Obsidianplatte, auf der sie standen, gaben ihnen etwas Ätherisches. Wilson empfand unwillkürlich Ehrfurcht.
    Drei Schritte vor der schwarzen Platte blieb Aclla stehen.
    Wilson, der sich die Regentropfen aus dem Gesicht wischte, bemerkte, dass seine nasse Kleidung tropfte und sich eine Pfütze auf dem Holzboden bildete.
    Die mittlere Gestalt trat vor, streckte die greisen Hände aus und zog langsam die Kapuze ab. Wilson musste sich zusammenreißen, um nicht scharf Luft zu holen. Die Frau sah älter aus als jeder Mensch, den er bisher gesehen hatte. Ihre Augen und Lippen waren so hell wie ein Stück Holz, das jahrelang in der Sonne gelegen hat. Ihre runzelige Haut wirkte dünn wie Reispapier, fast durchscheinend, und ihre langen Haare waren schneeweiß, wenngleich gesund und glänzend. Es war offensichtlich, dass sie einmal groß und schön gewesen war, man sah es am Knochenbau, aber das war lange her.
    »Ich bin Mamacona Kay Pacha, die Priesterin der lebendigen Welt«, sagte die alte Frau.
    Die Gestalt zu ihrer Linken trat vor und zog gleichfalls die Kapuze ab. Sie sah in jeder Hinsicht identisch aus, nur war ihre Stimme ein bisschen tiefer und rauer. »Ich bin Mamacona Hurin Pacha, die Priesterin der Unterwelt«, erklärte sie.
    Dann trat die dritte Frau vor und enthüllte das gleiche Antlitz. »Ich bin Mamacona Hanan Pacha, die Priesterin der oberen Welt«, sagte sie, und ihre Stimme klang ein bisschen heller.
    »Du kommst, um Rat zu suchen«, sagte Mamacona Kay Pacha mit der Erfahrung ihrer zahllosen Jahre. »Und wir haben dich erwartet. Doch ehe wir beginnen, musst du anerkennen, dass alles

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