Die Vergessene Welt
in hohem Ausmaß
als vulkanisch zu betrachten ist, und da Asphalt eine Substanz
ist, die man mit vulkanischen Kräften in Verbindung bringt,
bezweifle ich nicht, daß er hier vorhanden ist und die Tiere
damit in Berührung kommen.
Ein weitaus bedeutenderes Problem jedoch ist die Frage
nach
der
Existenzmöglichkeit
des
fleischfressenden
Ungeheuers, das seine Spuren auf der Lichtung hinterlassen
hat. Wir wissen, daß dieses Plateau nicht größer als eine
durchschnittliche englische Grafschaft ist. In diesem
begrenzten Territorium haben seit unzähligen Jahren viele
Lebewesen, die in der übrigen Welt ausgestorben sind,
zusammengelebt. Nun sollte man nach einem so langen
Zeitraum erwarten, daß die fleischfressenden Arten –
ungehemmte
Vermehrung
vorausgesetzt
–
ihre
Nahrungsvorräte längst erschöpft und somit entweder ihre
Ernährungsweise umgestellt haben oder verhungert sind. Wir
sehen, daß dies letztere nicht zutrifft. Wir können deshalb nur
vermuten, daß das natürliche Gleichgewicht durch irgendeine
Beschränkung aufrechterhalten wird, welche die Anzahl dieser
räuberischen
Kreaturen
begrenzt.
Eines
der
vielen
interessanten Probleme also, die noch einer Lösung harren. Ich
möchte hoffen, daß sich uns noch ferner Gelegenheit zum
näheren Studium der fleischfressenden Dinosaurier bieten
wird.«
»Und ich möchte hoffen, sie bietet sich nicht«, bemerkte
ich.
Der Professor hob seine buschigen Augenbrauen.
»Vielleicht hat Professor Summerlee hierzu noch etwas zu
bemerken«, sagte er, und die beiden Gelehrten begaben sich
gemeinsam in dünne wissenschaftliche Höhenluft, wo die
Möglichkeiten einer Modifikation der Geburtsrate und der
Nahrungsreduktion als Beschränkungen im Daseinskampf
gegeneinander ausgewogen wurden.
An diesem Vormittag erkundeten wir einen kleinen Teil des
Plateaus, wobei wir den Sumpf der Pterodactylen sorgsam
mieden und uns diesmal östlich vom Bach hielten. In dieser
Richtung war das Land durchweg bewaldet und das Unterholz
so dicht, daß wir nur langsam vorankamen.
Bisher habe ich nur von den Schrecken des Maple-White-
Landes berichtet, es hatte aber auch seine schönen Seiten. Den
ganzen Vormittag über wanderten wir zwischen lieblichen
Blumen dahin. Sie waren meist weiß oder gelb, und unsere
Professoren erklärten, daß dies die primitiven Blumenfarben
seien. An vielen Stellen bedeckten sie den Boden wie ein dicker
Teppich, in den wir bis zu den Knöcheln einsanken. Ihr Duft
war schwer und fast betäubend. Die einheimische Biene
summte überall herum. Die Äste vieler Bäume bogen sich unter
der Last ihrer Früchte, von denen uns einige bekannt, andere
dagegen völlig neu waren. Um eventuellen Vergiftungen
vorzubeugen, nahmen wir nur von den Sorten, die von Vögeln
angepickt waren. Wir trafen auf zahlreiche von wilden Tieren
ausgetretene Pfade. An sumpfigen Stellen sahen wir eine
Unmenge seltsamer Fußspuren, darunter viele vom Iguanodon.
Einmal beobachteten wir einige dieser riesigen Geschöpfe, die
in einem Hain ästen. Lord John konnte mit seinem Fernglas
erkennen, daß auch sie Asphaltflecken trugen, allerdings an
anderen Stellen als das Tier, das wir am Morgen untersucht
hatten. Was dieses Phänomen zu bedeuten hatte, war uns nach
wie vor ein Rätsel.
Wir sahen mehrere Kleintiere: Stachelschweine, einen
schuppigen Ameisenbären und ein scheckiges Wildschwein mit
langen, gebogenen Hauern.
Nach dem rätselhaften Besuch, der unserem Lager bei
unserer ersten Abwesenheit abgestattet worden war, kehrten wir
mit einer gewissen Bangigkeit dorthin zurück. Diesmal jedoch
war alles in Ordnung.
An diesem Abend besprachen wir unsere gegenwärtige
Lage und versuchten, einen Plan für die Unternehmungen der
nächsten Tage aufzustellen. Ich muß etwas ausführlicher
darüber berichten, weil wir zu einem Entschluß kamen, der uns
viel Zeit sparen sollte.
Es war Professor Summerlee, der die Debatte eröffnete.
Schon während des ganzen Tages war er mürrisch und
verdrießlich gewesen, und ein Vorschlag Lord Johns, was am
folgenden Tag unternommen werden sollte, hatte prompt zur
Folge, daß sich seine angestaute Wut entlud.
»Was wir heute, morgen und schon längst tun müßten«,
sagte er gereizt, »ist, einen Ausweg aus der Falle zu finden, in
die wir geraten sind. Hier zerbricht sich alles den Kopf, wie wir
tiefer in dieses Land hineinkommen, und ich finde, wir sollten
lieber zusehen, wie wir
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