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Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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deren Behauptungen aus der Welt geschaffen
    werden. Kehrten wir nicht zurück, so war und blieb Professor
    Challenger in ihren Augen ein Lügner und Scharlatan.
    »Das Problem des Abstiegs scheint auf den ersten Blick
    unlösbar«, sagte er, »ich bin jedoch überzeugt davon, daß man
    damit fertig werden kann. Ich bin bereit, meinem Kollegen
    zuzustimmen, daß ein längerer Aufenthalt auf dem Plateau
    gegenwärtig nicht empfehlenswert zu sein scheint und die Frage
    unserer Rückkehr demnächst geklärt werden muß. Ich lehne es
    jedoch entschieden ab, dieses Land zu verlassen, ehe wir es
    einigermaßen erforscht haben und eine Karte seiner groben
    Umrisse und Beschaffenheiten mit nach Hause bringen
    können.«
    Professor Summerlee wehrte ungeduldig ab. »Zwei Tage
    haben wir schon damit vertrödelt, Erkundigungsmärsche zu
    unternehmen, und sind, was die geografische Beschaffenheit
    anbelangt, nicht schlauer als vorher. Daß das Plateau durchweg
    dicht bewaldet ist, steht fest. Wir würden Monate brauchen, um
    uns einigermaßen zu orientieren. Wenn es in der Mitte eine Art
    Erhebung geben würde, wäre das etwas anderes, aber bis jetzt
    haben wir doch nur in etwa feststellen können, daß das Land
    nach innen hin abfällt. Je weiter wir zur Mitte vordringen, desto
    weniger Aussichten haben wir, zu einem allgemeinen
    Überblick zu kommen.«
    Und genau in dem Moment kam mir die Erleuchtung. Mein
    Blick fiel zufällig auf den Stamm des riesigen Gingkobaums,
    der seine weiten Äste über uns breitete. Wenn der
    Durchmesser seines Stammes alles übertraf, was wir bisher an
    Baumstämmen gesehen hatten, dann mußte das doch auch
    für seine Höhe gelten.
    Wenn das Plateau von seinem Rand nach innen hin abfiel,
    so konnte uns doch dieser Baum als Aussichtspunkt dienen, von
    dem aus man möglicherweise ganz Maple-White-Land
    überblicken konnte.
    An dieser Stelle muß ich einschieben, daß ich im Erklettern
    von Bäumen schon als Schulbub unübertroffen gewesen bin.
    Die beiden Professoren und Lord John mochten gute Bergsteiger
    sein, ich aber, das wußte ich, stand ihnen zumindest in nichts
    nach, was das Erklettern von Bäumen anbelangte. Wenn ich
    erst einmal einen der untersten Äste erreicht hatte, dann hätte
    es mich gewundert, wenn ich es nicht bis zur Spitze hinauf
    geschafft hätte.
    Die anderen waren von meiner Idee begeistert.
    »Unser junger Freund«, sagte Professor Challenger und
    blähte die roten Backen, »wird immer einfallsreicher. Ich kann
    ihm nur gratulieren.«
    »Allerdings!« rief Lord John und versetzte mir einen Schlag
    auf die Schulter. »Sie haben es erfaßt, Malone. Es ist mir
    unbegreiflich, daß wir nicht schon längst auf diese Lösung
    gekommen sind. In etwa einer Stunde wird es dunkel, aber für
    eine grobe Skizze reicht die Zeit. Los, stellen wir die drei
    Munitionskisten aufeinander, und schon sind Sie oben.«
    Und einen Moment später war es der Fall. Während ich die
    flachen Hände gegen den Stamm gestützt hatte, hatte mich
    Lord John an den Fesseln gepackt und in die Höhe gestemmt,
    bis ich einen der untersten Äste hatte packen und mich an
    ihm in die Höhe hatte ziehen können.
    Über mir drei Hauptäste, die mit ihrem Gewirr von
    Zweigen wie Leitern in die Höhe strebten. Ich kletterte so
    schnell nach oben, daß der Boden unter mir bald nur noch ein
    Ineinandergreifen von Grüntönen und ich ringsum von
    Laubwerk umgeben war. Da und dort geriet ich an ein
    Hindernis, mußte zum Beispiel über eine Strecke von gut zehn
    Metern hinweg an einer Schlingpflanze hochklettern, kam aber
    schnell voran, und Challengers Donnerstimme klang bald
    schon wie ein friedliches Grummeln unter mir. Trotzdem: Wenn
    ich nach oben blickte, immer noch keine Aufhellung in dem
    Laub. Der Baum mußte eine unglaubliche Höhe haben.
    An einem Ast, an dem ich mich gerade hocharbeitete, hing
    ein dicker Klumpen aus feinen Verästelungen, den ich für eine
    Schmarotzerpflanze hielt. Ich reckte den Kopf vor, um zu
    erspähen, was hinter dem Klumpen kam, und wäre vor
    Schreck und Entsetzen fast vom Baum gestürzt.
    Ein Gesicht starrte mich an – aus einer Entfernung von
    höchstens ein bis zwei Fuß. Das Wesen, zu dem es gehörte,
    hatte hinter dem Busch gekauert und im gleichen Moment wie
    ich hervorgeblickt. Es war ein menschliches Gesicht,
    zumindest erschien es weit menschenähnlicher als das Gesicht
    eines Affen. Es war lang, weißlich und voller Warzen, die
    Nase platt, der Unterkiefer sprang weit vor

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