Die Vergessene Welt
und war am Kinn
mit dicken, borstigen Stoppeln besetzt. Die Augen, die unter
dichten, schweren Brauen hervorblickten, hatten einen
bestialischen, grausamen Ausdruck. Als es den Mund öffnete,
um mir etwas zuzuknurren, das sich wie ein Fluch anhörte, sah
ich lange, gebogene Eckzähne. Einen Augenblick lang waren
Haß und Drohung in den boshaften Augen, dann plötzlich ein
Ausdruck panischer Angst. Äste krachten, und das seltsame
Wesen tauchte im grünen Gewirr unter. Ich konnte noch einen
letzten Blick auf einen rötlich behaarten Körper werfen, dann
war es im Gestrüpp der Blätter und Zweige verschwunden.
»Was ist los?« brüllte Roxton von unten herauf. »Irgendwas
nicht in Ordnung?«
»Haben Sie es nicht gesehen?« schrie ich, die Arme um den
Ast geklammert und am ganzen Körper zitternd.
»Wir haben ein Knacken und Krachen gehört, als ob Sie
abgerutscht wären. Was war das?«
Die
plötzliche
und
seltsame
Erscheinung
dieses
Affenmenschen war mir so in die Glieder gefahren, daß ich
überlegte, ob ich wieder hinunterklettern und den anderen
davon berichten sollte. Aber ich war schon so hoch droben in
dem riesigen Baum, daß ich eine Umkehr vor Erfüllung meines
Auftrages als Schande empfunden hätte.
So setzte ich also meinen Aufstieg fort, allerdings erst nach
einer Pause, in der ich Atem geschöpft und neuen Mut gefaßt
hatte. Einmal trat ich auf einen morschen Ast und hing für ein
paar Sekunden nur an den Händen. Aber meistens war es ein
leichtes Klettern. Allmählich wurde das Laub um mich dünner.
Am Wind, der mir ins Gesicht blies, merkte ich, daß die
anderen Bäume des Waldes längst unter mir lagen. Ich
beschloß, mich nicht mehr umzusehen, bevor ich den
allerhöchsten Punkt erreicht hatte. So arbeitete ich mich weiter
hinauf, bis sich der oberste Ast unter meiner Last bog. Dort
setzte ich mich in eine Gabelung, achtete auf mein
Gleichgewicht und blickte hinab auf ein wundervolles
Panorama.
Die Sonne stand über dem westlichen Horizont, der
ausklingende Tag war besonders hell und klar, so daß ich das
Plateau unter mir in seiner vollen Ausdehung überblicken
konnte. Es war oval und etwa dreißig Meilen lang und zwanzig
Meilen breit. Es glich einem flachen Trichter, dessen
Wandungen zu einem mächtigen See im Zentrum abfielen.
Dieser See mochte einen Umfang von zehn Meilen haben. Er
leuchtete grün im Abendlicht. Ein dicker Schilfsaum umgab
seinen Rand, seine Oberfläche war von mehreren gelben
Sandbänken unterbrochen, die im Schein der untergehenden
Sonne golden glänzten. Eine Anzahl dunkler Objekte, die für
Alligatoren zu dick und für Kanus zu lang wirkten, lagen an
den Rändern dieser Sandflächen. Mit meinem Fernglas konnte
ich eindeutig erkennen, daß es sich um Lebewesen handelte.
Auf unserer Seite des Plateaus erstreckten sich bewaldete
Hänge mit vereinzelten Lichtungen fünf bis sechs Meilen hinab
zum See. Unmittelbar unter mir erblickte ich die Iguanodon-
Wiese und etwas weiter entfernt eine Lücke in den Bäumen –
den Sumpf der Pterodactylen.
Auf der gegenüberliegenden Seite bot das Plateau einen
gänzlich anderen Anblick. Die äußeren Basaltklippen setzten
sich dort zur Innenseite fort und bildeten eine etwa zweihundert
Fuß hohe Mauer. Darunter lag ein waldiger Abhang. Am Fuß
dieser roten Klippen, in einiger Höhe über dem Boden, konnte
ich durch das Fernglas eine Anzahl dunkler Löcher erkennen, in
denen ich Höhleneingänge vermutete. Etwas Weißes
schimmerte in einer dieser Öffnungen, ich konnte aber nicht
erkennen, was es war.
Ich saß und skizzierte das Land, bis die Sonne
untergegangen war und ich in der Dunkelheit keine
Einzelheiten mehr erkennen konnte. Dann kletterte ich hinab
zu den anderen, die mich schon ungeduldig am Fuß des großen
Baumes erwarteten. Jetzt war auch ich einmal der Held des
Tages. Ich hatte die Idee gehabt, hatte sie allein in die Tat
umgesetzt und die Kartenskizze gezeichnet, die uns einen
Monat blinden Herumtappens inmitten unbekannter Gefahren
ersparte.
Jeder schüttelte mir anerkennend die Hand. Bevor wir die
Einzelheiten der Karte näher besprachen, mußte ich über
meinen Zusammenstoß mit dem Affenmenschen in den Ästen
berichten.
»Er muß schon die ganze Zeit über dort gewesen sein«,
sagte ich.
»Woher wissen Sie das?« fragte Lord John.
»Weil ich schon die ganze Zeit das Gefühl hatte, daß uns
irgend jemand beobachtete. Ich habe es Ihnen
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