Die Vergessene Welt
war wenigstens
beruhigend. Irgendwann, und das hoffentlich bald, würden wir
zum Fort Challenger zurückkehren und den Kontakt mit dem
Schwarzen wieder aufnehmen können. Er hatte fest
versprochen, zu bleiben wo er war, und keiner zweifelte an
seinen Worten.
§
Am frühen Nachmittag brachen wir auf. Der junge
Häuptling ging voran und zeigte uns den Weg. Er hatte es
kategorisch abgelehnt, irgendwelche Lasten zu tragen. Hinter
ihm kamen die beiden anderen überlebenden Indianer mit
unseren spärlichen Habseligkeiten auf dem Rücken. Wir vier
Weißen gingen mit geladenen und schußbereiten Gewehren
als letzte. Bei unserem Aufbruch erhob sich in den dichten
Wäldern hinter uns plötzlich ein lautes Geheul, das ebensogut
Triumphgeschrei wie Hohngelächter über unsere Flucht sein
mochte. Als wir uns umblickten, sahen wir nur die dichte
Wand der Bäume. Aber dieses Gebrüll sagte uns deutlich
genug, wie viele unserer Feinde dahinter lauerten. Die Affen
machten jedoch keine Anstalten, uns zu verfolgen, und wir
waren bald im freien Gelände und außerhalb ihres
Machtbereichs.
Während ich so als letzter von uns vieren dahintrottete,
konnte ich ein Lächeln über die äußere Erscheinung meiner drei
Gefährten nicht unterdrücken. War das der elegante Lord
Roxton, der mir an jenem Abend inmitten seiner persischen
Teppiche und Gemälde im gedämpften Licht seiner luxuriösen
Wohnung im Albany gegenübergesessen hatte? Und war das
der gebieterische Professor, der hinter dem großen
Schreibtisch in seinem riesigen Arbeitszimmer in Enmore-Park
gethront hatte? Und schließlich: War das die ehrwürdige
Gestalt, die vor die Versammlung im Zoologischen Institut
getreten war? Zu Hause in England hätte man lange suchen
müssen, bis man drei ähnlich zerlumpte Landstreicher
aufgetrieben hätte. Dabei befanden wir uns erst seit etwa einer
Woche auf dem Plateau. Aber all unsere zusätzlichen
Kleidungsstücke waren im Lager geblieben. Meine drei
Freunde hatten ihre Hüte verloren und sich statt dessen
Taschentücher um den Kopf gebunden. Ihre Kleidung hing in
Fetzen herunter, und ihre unrasierten, verschmierten Gesichter
waren kaum noch zu erkennen. Sowohl Summerlee als auch
Challenger hinkten stark, und ich schleifte meine Füße nur
mühsam über den Boden, immer noch von dem Schock am
Morgen geschwächt. Mein Nacken fühlte sich von dem
mörderischen Griff noch steif an wie ein Holzklotz. Wir waren
wirklich ein trauriger Haufen. Es wunderte mich gar nicht, daß
unsere indianischen Begleiter sich gelegentlich verwundert nach
uns umblickten.
§
Am Spätnachmittag erreichten wir den See. Als wir aus dem
Gebüsch hervortraten und die Wasserfläche vor uns liegen
sahen, stießen die Indianer einen schrillen Freudenschrei aus
und zeigten aufgeregt nach vorn. Dort bot sich uns ein
wundervoller Anblick. Leicht über die glasige Oberfläche
dahingleitend, kam eine ganze Flotte von Kanus geradewegs
auf unser Ufer zu. Sie waren noch einige Meilen entfernt,
kamen aber mit großer Geschwindigkeit näher, und bald
konnten die Ruderer uns sehen. Sofort erhob sich bei ihnen ein
lautes Freudengeheul. Sie standen von ihren Sitzen auf und
schwangen Paddel und Speere. Dann machten sie sich wieder
ans Werk, flogen über die Wasserfläche dahin, zogen ihre
Boote auf den flachen Sand hinauf und liefen auf uns zu. Mit
lauten Begrüßungsrufen warfen sie sich vor ihrem jungen
Häuptling zu Boden. Ein älterer Mann mit einer Halskette,
einem Armband aus funkelnden Perlen und einem schönen
bernsteinfarbenen Fell über den Schultern ging auf den
Jüngling zu und umarmte ihn. Er deutete auf uns und stellte
ein paar Fragen, dann kam er würdevoll näher und umarmte
der Reihe nach jeden von uns. Anschließend mußte sich auf
seinen Befehl der ganze Stamm vor uns zu Boden werfen. Mir
war diese sklavische Verehrung reichlich peinlich. Lord John
und Summerlee schien es nicht anders zu gehen. Bloß
Challenger blühte auf wie eine Blume im Sonnenschein.
»Sie mögen unterentwickelt sein«, sagte er, strich sich den
Bart und blickte auf sie herab. »Aber ihr Benehmen gegenüber
Höhergestellten könnte so manchem unserer Europäer als
Beispiel dienen. Sonderbar, wie unfehlbar doch die Instinkte
des Naturmenschen sind!«
Die Eingeborenen befanden sich offenbar auf Kriegspfad,
denn jeder Mann war mit einem Speer – einem langen
Bambusstab mit Knochenspitze –, Pfeil und Bogen und einer
Art
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