Die Vergessene Welt
Blasen
bildete. Er steckte ein hohles Schilfrohr hinein und schrie in
kindlichem Entzücken auf, als er mit einem brennenden
Streichholz am anderen Ende des Rohres einen Knall und eine
blaue Stichflamme produzieren konnte. Noch erfreuter zeigte
er sich, als es ihm gelang, einen Lederbeutel, den er über das
Rohr gestülpt und mit Gas gefüllt hatte, in die Luft steigen zu
lassen.
»Ein brennbares Gas, das entschieden leichter als Luft ist«,
erklärte er. »Ich möchte behaupten, daß es einen beträchtlichen
Anteil von freiem Wasserstoff enthält. Die Flut erfinderischer
Einfalle ist bei G.E.Ch. noch nicht versiegt, mein junger
Freund. Ich werde Ihnen noch beweisen, wie man sich die
Natur nach seinem Willen dienstbar machen kann.«
Er war erfüllt von einem geheimen Plan, wollte aber nichts
weiter verraten.
Von allem, was wir am Ufer sahen, erschien mir nichts so
wundervoll wie die gewaltige Wasserfläche vor uns. Unsere
Anwesenheit hatte alle Lebewesen vom Ufer verscheucht. Bis
auf einige Pterodactylen, die hoch über unseren Köpfen ihre
Kreise zogen und auf Abfälle wartete, blieb um das Lager
herum alles still.
Ganz anders war es aber auf den rötlich leuchtenden
Wassern des Gladys-Sees. Er kochte und brodelte vor Leben.
Große
schieferfarbene
Leiber
und
hohe,
gezackte
Rückenflossen schossen in silbrigem Schaum aus dem Wasser
empor und stürzten sich wieder hinab in die Tiefe. Auf den
Sandbänken weiter draußen krochen schwerfällige Tiere herum
– riesige Schildkröten, sonderbare Saurier und eine große, platte
Kreatur, die sich wie eine pulsierende, fettig schwarze Masse
langsam zum See hinunterwand. Da und dort ragten
Schlangenköpfe aus dem Wasser, die mit einem kleinen
Schaumkragen vorn und einer langen, strudelnden Welle hinten
sich schnell dahinzogen, wobei sie in graziösen Bewegungen
auf- und niederwogten. Als eines dieser Geschöpfe ein paar
hundert Meter vor uns auf eine Sandbank glitt und dabei
unterhalb des langen Schlangenhalses ein plumper,
faßförmiger Rumpf mit riesigen Ruderflossen zum Vorschein
kam, brachen Challenger und Summerlee, der sich inzwischen
zu uns gesellt hatte, in Begeisterungsstürme aus.
»Ein Plesiosaurus! Ein Süßwasser-Plesiosaurus!« rief
Summerlee. »Daß ich einen solchen Anblick erleben darf! Wir
sind die glücklichsten aller Zoologen seit Weltbeginn, mein
lieber Challenger!«
Erst als die Nacht hereingebrochen war und die Feuer
unserer Verbündeten rot im Dunkeln leuchteten, konnten sich
unsere beiden Gelehrten von den Wundern dieses urzeitlichen
Sees losreißen. Am Ufer liegend, hörten wir bis spät in die
Nacht hinein ihr Schnaufen und Platschen.
§
Mit dem Morgengrauen wurde es in unserem Lager lebendig,
und schon eine Stunde später waren wir zu unserer
denkwürdigen Expedition unterwegs. Oft hatte ich davon
geträumt, einmal Kriegsberichterstatter zu werden. Aber einen
Feldzug wie diesen hätte ich mir auch im wildesten Traum
nicht ausmalen können. Hier folgt also mein erster Bericht
vom Schlachtfeld:
Ein weiterer Trupp von Eingeborenen war während der
Nacht aus den Höhlen gekommen und hatte unsere Zahl
verstärkt. Wir mögen beim Abmarsch vier- bis fünfhundert
Mann gewesen sein. Ein Halbkreis von Spähern ging voraus.
Dahinter bewegte sich der Rest in zusammenhängender
Marschsäule den langen Abhang des Buschgebiets hinauf, bis
wir dicht am Waldrand waren. Hier schwärmten sie zu einer
langen, ununterbrochenen Linie von Speerwerfern und
Bogenschützen aus. Roxton und Challenger begaben sich an
die rechte Flanke, Summerlee und ich an die linke. Ein
Steinzeitheer war es, das wir in die Schlacht begleiteten – wir,
die
wir
mit
den
letzten
Erzeugnissen
moderner
Büchsenmacherkunst ausgerüstet waren.
Wir brauchten nicht lange auf den Feind zu warten. Ein
wüstes, schrilles Geheul erhob sich am Waldrand, und
plötzlich stürzte eine Horde mit Keulen und Steinen
bewaffneter Affenmenschen hervor und stürmte auf das
Zentrum der Schützenkette los. Ein tapferer, aber idiotischer
Angriff, denn die großen krummbeinigen Kreaturen waren
schlecht zu Fuß, während ihre Gegner katzenhafte
Behendigkeit bewiesen. Es war entsetzlich, mit anzusehen, wie
die wütenden Bestien mit schäumendem Maul und
hervorquellenden Augen auf die Indianer losgingen und sie
packen wollten, sie aber stets verfehlten, während sich Pfeil auf
Pfeil in ihr Fell bohrte. Ein großer Kerl, ein Dutzend
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