Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
wenig später einer Partisaneneinheit anschloss.«
»Dann war er so etwas wie ein Widerstandskämpfer?«, murmelt Kimski mehr zu sich selbst als zu seiner Gesprächspartnerin.
»Er war ein mutiger Kerl, man sah das gleich. Diese Erscheinung – ich kann mich noch gut erinnern, mit welcher Inbrunst er uns damals seine Geschichte erzählte.«
»Wissen Sie, wo er heute lebt?«
»Nun«, Irina überlegt einen Moment. »Nach dem Krieg war er nach Mannheim zurückgekehrt, aber er fühlte sich hier nicht mehr zu Hause. Ich glaube, er sagte etwas davon, dass er nach Italien zurückkehren wollte. Bei den Treffen habe ich ihn jedenfalls irgendwann nicht mehr gesehen.«
»Wissen Sie, wohin genau er gehen wollte?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber mir ist noch etwas eingefallen, weil Sie eben das Wort Widerstandskämpfer gebraucht haben. Albert kam ja zu unseren Treffen, um wieder Anschluss in der Stadt zu finden. So erzählte er, dass er sich zuvor schon mit Mannheimer Widerstandskämpfern getroffen hatte.«
»Sie haben wirklich ein gutes Gedächtnis.«
»Na ja«, Irina lacht verlegen. »Diese alten Geschichten. Das ist doch nicht der Rede wert. Daran kann ich mich erinnern, aber fragen Sie mich bitte nicht, was ich letzte Woche gemacht habe.«
Als er wieder zu Hause ist, macht Kimski sich auf die Suche nach Albert Stumpf. Über das Internet findet er für einen gewissen Alberto Stumpf auf Anhieb im italienischen Telefonbuch einen Eintrag. Als Wohnort ist Desenzano del Garda angegeben, ein Ort am Gardasee.
»Prego?«, meldet sich eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung, nachdem er die Nummer gewählt hat.
»Signore Stumpf?«, stammelt Kimski. Seine Italienischkenntnisse belaufen sich auf wenige Wörter und Redewendungen.
»Der bin ich«, antwortet der Mann auf Deutsch.
Kimski atmet auf.
»Unverkennbarer deutscher Akzent. Worum geht es? Ich habe seit Jahrzehnten keinen Anruf aus Deutschland bekommen.«
Kimski stellt sich vor und erklärt ihm, dass er sich aufgrund seiner Recherche zu Mannheimer Widerstandskämpfern mit ihm treffen möchte. Er erwähnt nicht seine Vermutung, dass Albert – oder Alberto – der Halbbruder seines Großvaters ist.
»Da müssen Sie schon zu mir kommen, junger Mann. Ich bin keine dreißig mehr.«
»Ich denke, das ist kein Problem. Wann kann ich bei Ihnen vorbeikommen?«
»Wann es Ihnen passt, ich habe keine Termine.«
»Wie wäre es mit morgen Vormittag?«
Alberto lacht auf.
»Na gut.«
Kimski lässt sich noch die genaue Adresse geben und verabschiedet sich. Nachdem er das Gespräch beendet hat, wählt er Maria Kampowskis Mobilnummer.
»Haben Sie etwas herausfinden können?«
»Nichts Handfestes, die Angelegenheit gestaltet sich leider ziemlich kompliziert. Ich habe noch einen möglichen Informanten ausfindig machen können, der wohnt aber in Italien.«
»Wie schnell können Sie dort hinreisen?«
»Ich würde den nächstbesten Flug nehmen.«
»Gut.«
»Ich will Ihnen aber nicht zu viel versprechen. Vielleicht wird das wieder ein Reinfall.«
»Bitte – lassen Sie nichts unversucht.«
Kimski atmet tief durch. Am besten packt er ein paar Sachen zusammen, bevor er zu Eva fährt. Dann kann er, nachdem er sie am Flughafen abgesetzt hat, gleich weiterreisen.
»Ach du Scheiße!«, ruft er in die leere Wohnung.
Eva! Sie hatte er ganz vergessen. Wie spät ist es?
Er sieht auf seine Uhr und stöhnt.
11.
Dienstag, 22. April
Frankfurt, Flughafen
»Cazzo!«, flucht Eva in ihrer Muttersprache. Kimski steht am Absperrband und beobachtet, wie die Dame am Schalter sie abweist, weil sie fünf Minuten zu spät für den Check-in ist. Als Eva auf ihn zustapft, sieht er schuldbewusst zu Boden.
»Porca miseria! Du stronzo! Ich habe dir extra gesagt, dass du mich pünktlich abholen sollst!«
»Ich weiß.«
Und wie Kimski das weiß, denn sie haben auf der Herfahrt im Auto schon ausgiebig über sein Zuspätkommen diskutiert. Zu dem Zeitpunkt war aber noch nicht sicher gewesen, dass sie den Flieger auch verpassen würde.
»Cazzo!«, wiederholt sie noch einmal. »Wie konnte ich nur so blöd sein, mich auf dich zu verlassen. Minchia! Weißt du eigentlich, was der Flug gekostet hat, der gerade ohne mich geht?«
»Wohin willst du?«, ruft Kimski ihr nach, als sie wie eine italienische Furie davonläuft.
»Ich mache jetzt endlich das, was ich schon die ganze Zeit vorhatte! Ich gehe aufs Scheißhaus!«
Als sie zurückkommt, steht Kimski an einem Infoschalter und
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