Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
weder gesehen noch etwas von ihm gehört.«
»Sie haben recht. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen den Kontoauszug zukommen lassen, der besagt, dass ich die Summe auch abgehoben habe.«
»Danke. Ich glaube Ihnen das jetzt einfach mal.«
Was soll diese Geschichte? Wenn das stimmt, was sie sagt, dann weiß sie wirklich nichts vom Mord an Lautenbach. Und wer um alles in der Welt kann das Geld an sich genommen haben?
»Als ich gesehen habe, dass das Geld verschwunden ist, dachte ich, Lautenbach wäre auf mein Angebot eingegangen. Und tatsächlich hat er sich daraufhin nicht mehr bei uns gemeldet.«
Klar hat er sich nicht mehr gemeldet. Zu dem Zeitpunkt war Lautenbach ja auch schon tot.
»Doch dann habe ich nachgedacht. Was ist, wenn der Historiker bereits einen Teil der Widerstandskämpfer aufgesucht und ihnen von meinem Mann erzählt hat? Er hatte es immerhin angekündigt.Ich musste das irgendwie in Erfahrung bringen, hatte aber keine Anhaltspunkte.«
»Also haben Sie mich angerufen.«
»Ja.«
»Und was dann? Wie wäre es weitergegangen, nachdem ich Ihnen die Namen genannt hätte?«
»Ich wollte den Menschen Geld geben.«
»Sie wollten sie bestechen, so wie Lautenbach?«
»Ich ... ich wollte ...«
Maria fängt an zu weinen.
»Ist schon gut.«
»Verhaften Sie mich jetzt?«
Sie sieht hinter dem Taschentuch hervor.
»Ich bin Privatdetektiv, Verhaftungen gehören nicht zu meinem Aufgabenbereich.«
Kimski hat noch nie gern jemanden verhaftet, auch nicht, als er noch bei der Polizei war. Er schaut auf sie herab. Wie ein Häufchen Elend kauert Maria auf ihrem Stuhl. Skrupellos? Vielleicht. Unmoralisch? Klar. Sieht sich selbst über dem Gesetz und ihren Mitmenschen stehen? Auf jeden Fall. Dennoch liebt sie ihren Mann so sehr, dass diese Liebe sie geradezu von innen heraus auffrisst. Verrückt.
In der Tür bleibt er noch einmal stehen und wendet sich zu ihr um.
»Sie wissen nicht zufällig, wer sonst noch in der Lage gewesen wäre, den Mord zu begehen, um Ihren Mann zu schützen? Was ist eigentlich mit Ihrem Sohn?«
»Unser Sohn war schon seit Wochen nicht mehr bei uns zu Hause. Und von dem Besuch Lautenbachs hat er nichts mitbekommen.«
»Weiß er von der wahren Identität seines Vaters?«
»Nein, die kennt er nicht. Ich habe mit Adelbert früher einmal darüber gesprochen, aber mein Mann entschied sich dafür, seinem eigenen Sohn nichts davon zu erzählen.«
»Na dann.«
»Wäre auch zu schön gewesen!«, denkt Kimski, als er auf die Straße tritt. Auf dem Rasenstück längs der Allee entdeckt er nur wenige Schritte von seinem Wagen entfernt etwas, das seine Aufmerksamkeit erregt. Dort liegt ein schwarzes rundes Etwas, das im orangegefärbten Halbdunkel der Straßenlaternen wie eine Landmine aussieht, was er aber nach genauerem Nachdenken ausschließt.
Während er auf den Gegenstand zuläuft, grübelt er noch einmal über die letzte Frage, die er Maria gestellt hat, nach. Wer hätte ein Interesse daran und wäre in der Lage, einen Mord zu begehen, um den Ruf des alten Kampowskis zu beschützen?
Nachdem er die Grünfläche erreicht hat, bückt er sich. Nun sieht er, dass es sich bei dem Gegenstand um einen Kochtopf handelt, und dreht diesen um. Unwillkürlich muss er lachen. Wer schmeißt denn einen Topf hier hin? Er bemerkt, wie schnell man sich täuschen kann, wenn man etwas von der falschen Seite betrachtet. Vielleicht geht er ja auch die Fragen, die er sich in dem Fall stellt, von der verkehrten Seite an? Bisher ist er davon ausgegangen, dass der Mord an Lautenbach eine zentrale Rolle spielt – begangen, um Kampowskis wahre Identität unentdeckt zu lassen – und dass die Morde an den Widerstandskämpfern nur eine Art Nebeneffekt sind. Was wäre aber, wenn die Ermordung der Widerstandskämpfer Dreh- und Angelpunkt und Jonathan nur durch Zufall in das Kreuzfeuer eines Mörders geraten wäre? Am selben Tag, an dem Jonathan tödlich verunglückt ist starb nur wenige Kilometer weiter bei einem Feuer ein alter Mann in seinem Haus, wobei die Polizei davon ausgeht, dass es Brandstiftung war.
Ein alter Mann. Vielleicht einer der Widerstandskämpfer, die Jonathan interviewt hat? Wenn nun jemand es in Wirklichkeit auf den alten Mann abgesehen hatte und Jonathan nur beseitigt wurde, weil er ein unliebsamer Zeuge war, und der Mörder danach alle anderen Mitglieder der Gruppe umbringt, dann wäre die Spur, die Maria Kampowski in Verdacht gebracht hat, eine falsche Fährte. Warum aber sollte noch jemand Grund
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