Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
eine Lebensversicherung abgeschlossen hätte. So etwas in der Art.«
»Und wie hat Franz reagiert?«
»Er fand das gar nicht lustig, er kannte Lautenbach nämlich.«
»Das ist ja super. Hat er dir zufällig gesagt, ob er ihn gut kannte oder nur flüchtig?«
»Nun, er muss ihn ziemlich gut gekannt haben.«
»Wieso?«
»Franz hat ihm bei seiner Doktorarbeit geholfen.«
Eva muss sich auf den letzten in ihrer Küche verbliebenen Stuhl setzen.
»Danke«, presst sie hervor.
»Wofür?«
»Du hast mir sehr geholfen.«
Carlo gibt ihr Franz’ Adresse und Telefonnummer und sie verabschieden sich. Eva geht zur Spüle und gießt sich einen Schluck Wasser ein. Sie muss ihre Gedanken sortieren. Wenn Franz Jonathan bei seiner Doktorarbeit unterstützt hat, muss er doch auch wissen, dass es darin um die Widerstandsgruppe geht, nach der Kimski sucht. Franz hat aber so getan, als wüsste er von nichts. Warum?
Eva stürzt das Wasser hinunter und setzt sich wieder hin. Was soll sie jetzt machen? Soll sie ihn doch anrufen? Nein, lieber nicht. Besser sie ruft erst mal Kimski an, um sich mit ihm zu beraten. Nur hat er wieder sein Handy nicht an!
Sie steht auf und geht Richtung Badezimmer. Als sie in den Flur tritt, zuckt sie zusammen.
Die Wohnungstür steht einen Spalt breit offen. Hat sie die Tür nicht richtig geschlossen, nachdem Kimski gegangen war? Sie könnte schwören, dass sie vorhin die Klinke fest zugedrückt hat.
Ein kalter Hauch weht ihr entgegen und umfasst ihren Körper, als sie die Tür noch weiter öffnet und ins dunkle Treppenhaus blickt.
Nichts.
Was sollte da auch sein?
Sie schließt die Tür, wendet sich um und geht in die Mitte des Flurs, wo sich die Tür zum Badezimmer befindet. Auf halbem Wege bleibt sie stehen und sieht noch einmal zur Eingangstür. Sie sollte vielleicht die Türkette vorlegen, zur Sicherheit.
Als sie das kalte Metall der Kette berührt und deren Ende in den dafür vorgesehenen Schlitz schiebt, fühlt sie sich besser.
Aber nur für einen kurzen Moment, denn ein Knarren lässt sie zusammenfahren. Es klang so, als käme es aus der Richtung ihres Schlafzimmers.
Es war so leise, dass Eva sich im nächsten Augenblick schon gar nicht mehr sicher ist, ob sie wirklich etwas gehört hat. Oder kam das Geräusch vielleicht gar nicht aus ihrer Wohnung? Vielleicht aus einem anderen Stockwerk? Bei den alten Dielenböden, die überall im Haus vergelegt sind, kann es schon mal lauter werden, wenn jemand in der Wohnung ein Stockwerk über ihr herumläuft.
Jetzt ist es still.
Ein kurzer kalter Schauer läuft ihr über den Rücken und lässt sie zusammenfahren. Dabei ist doch gar niemand in der Wohnung und es gibt keinen Grund, warum sie panisch werden sollte. Sie ist eine starke Frau und weiß, auf sich aufzupassen. Sie muss nur ins Schlafzimmer gehen und nachsehen, dann klärt sich schon alles auf. Sie macht einen Schritt vorwärts, hält jedoch nach dem zweiten Schritt inne.
Vielleicht sollte sie doch für alle Fälle etwas mitnehmen, um sich zu verteidigen. Wo hat sie bloß den Elektroschocker hingelegt, den Kimski ihr gegeben hat? Das letzte Mal hat sie die Waffe bei Kimskis Einbruch in der Kampowski-Villa dabeigehabt. Als sie zurückkam, hat sie das Gerät irgendwo in ihrer Wohnung abgelegt. Aber wo?
Eva konzentriert sich. In der Nacht war sie hundemüde, sie hat nur noch die Schuhe abgestreift und dann ist sie sofort ins Bett gefallen – und hat den Elektroschocker auf das Fensterbrett im Schlafzimmer gelegt! Porca miseria.
Sie will weitergehen, doch da fällt ihr Blick auf das kleine Schuhregal, das vor ihr im Flur steht. Beim Herunterbücken knacken ihre Kniescheiben, sie greift sich ein Paar Stiefel mit langen Pfennigabsätzen und betrachtet sie. Eigentlich trägt sie die Schuhe fast nie, nur zu besonderen Anlässen, bei italienischen Hochzeiten und Verlagsempfängen. Ansonsten hat sie es gerne bequem und da helfen hochhackige Stiefel nicht gerade weiter. Aber jetzt könnten sie gerade richtig sein.
Die Schlafzimmertür ist angelehnt. Sie reißt sie mit Wucht auf, sodass das Holz gegen die Wand knallt. Hinter der Tür steht schon mal niemand. Mit einer schnellen Bewegung drückt sie den Lichtschalter, die Energiesparlampe springt sofort an, erleuchtet den Raum zunächst aber nur schwach.
Eva muss sich konzentrieren, um sich einen Überblick zu verschaffen, und hält die Luft an. Nach einigen scheinbar endlos langen Sekunden hat die Birne endlich ihre volle Leuchtkraft entfaltet,
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