Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
Sie wissen?«
»Weshalb haben Sie Kampowski umgebracht?«
»Das ist eine lange Geschichte. Dafür muss ich weiter ausholen und am Ausgangspunkt beginnen.«
»Und der wäre?«
»Meine nationale Gesinnung, mit der fängt alles an.«
»Sie sind Faschist?«
»Wenn Sie das so nennen wollen, ja.«
»Dann haben Sie ja überhaupt keinen Grund für das, was Sie getan haben!«
»Langsam, ich habe doch schon gesagt, dass es etwas kompliziert ist. Meine Mutter war tatsächlich eine Gegnerin der Nationalsozialisten. Aber davon ist nichts auf mich abgefärbt und so habe ich schon in jungen Jahren für das Wohl unserer Nation gesorgt.«
»Indem Sie Faschist geworden sind?«
»Sie sprechen das Wort mit einem negativen Unterton aus. Dabei ist daran nichts Verwerfliches.«
»Ach nein?«
»Nein. Faschismus bedient menschliche Urbedürfnisse, denn jeder will von Natur aus einer überlegenen Gruppe angehören. Dabei muss es sich nicht zwingend um eine Rasse handeln. Passen Sie auf, Sie sind doch gebürtiger Mannheimer?«
»Ja.«
»Als Mannheimer haben Sie sich doch bestimmt schon mal den Karlsruhern gegenüber überlegen gefühlt. Und als Kurpfälzer den Schwaben und als Baden-Württemberger den Schleswig-Holsteinern, als Deutscher den Italienern und als Europäer den Amerikanern, oder?«
»Was wollen Sie damit beweisen?«
»Niemand will zu den Verlierern zählen. Wenn manche Menschen sehen könnten, in welch erbärmlichem Zustand sie sich in Wirklichkeit befinden, würden sie verrückt werden. Also reden sie sich ein, jemand Besseres zu sein, was auch ganz in Ordnung ist, denn es hat eine therapeutische Wirkung. Das Problem ist aber, dass wir uns in dieser liberalen Gesellschaftsordnung nicht mehr als etwas Besseres fühlen dürfen. Auf einmal müssen wir alle gleich behandeln, auch wenn das gegen unsere Natur ist! Man darf nicht einmal mehr seine Meinung sagen, wenn man damit irgendeine Minderheit verletzen könnte. Oder wenn man damit eine ausländische Regierung provozieren könnte, die unsere Gesellschaftsordnung nicht einmal anerkennt. Aber wir müssen den Mund halten! Seien wir doch mal ehrlich. In unserem Land herrscht die eigentliche Diktatur, die Diktatur des liberalen Wortes, aufgezwungen von allzu aufgeklärten Journalisten, die die Medienwelt und alles andere regieren. Und wenn jemand eine Meinung hat, die Ecken und Kanten hat, wird er sehr schnell stigmatisiert. Somit kommen wir zum größten Vorteil des Faschismus: Der Faschismus bezieht seine Macht aus der Stärke des Gemeinsamen. Der Einzelne ist schwach, aber wenn man sich zur Erreichung von Zielen zu einer Gruppe zusammenschließt, wird man zu einem unbesiegbaren Überwesen. Die Herrenrasse ist in Wirklichkeit nicht von einer bestimmten Herkunft abhängig, sondern davon, ob ein Volk zusammensteht und sich zu einer wahren Gemeinschaft erhebt. Die alten Römer beispielsweise wussten das schon sehr gut. Und solange der römische Staat in seinem Innern stabil blieb, war er unbesiegbar. Als die Gemeinschaft auseinanderbrach, zerbrach auch das Imperium.«
Kimski wird langsam ungeduldig, aber er lässt sein Gegenüber weiter seine Weltanschauung erklären.
»In Deutschland fehlt eine starke Hand.«
»Ach so?«
»Ja. Die nationale Bewegung in Deutschland sammelt langsam aber sicher ihre Kräfte. Momentan kranken die einzelnen Strömungen, Vereine und Parteien vor allem an zwei Dingen: einer nicht vorhandenen gemeinsamen Zielsetzung und einer fehlenden starken Führungspersönlichkeit. Was ist eine Bewegung ohne eine starke Leitfigur? Die Linken haben doch auch ihre Idole. Und was die gemeinsame Zielsetzung betrifft, beobachte ich, dass sich die einzelnen nationalen Gruppen in letzter Zeit zusammenraufen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Nationalismus wieder eine ernstzunehmende politische Kraft in Deutschland wird. Und wenn neue Führungspersönlichkeiten gesucht werden – nun, dann möchte ich gern zur rechten Zeit am rechten Ort sein.«
»Sie wollen der neue Führer werden?«
Sebastian lacht auf.
»Na, übertreiben Sie mal nicht. Es muss ja nicht immer ein Platz in der ersten Reihe sein. Die zweite tut es doch auch, denken Sie nicht? Wussten Sie eigentlich, dass Goebbels auch in Heidelberg studiert hat?«
Kimski zuckt mit den Schultern. Sebastian beugt sich vor und sieht ihm in die Augen.
»Die meisten der heutigen Gegner des Faschismus machen einen riesigen Fehler. Sie behaupten die ganze Zeit, Nationalisten wären nur dumme Hohlköpfe, doch sie
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