Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
Ideale verraten hatte.«
»Und Ihrer Meinung nach hat Kampowski das Gleiche getan?«
»Sehr richtig. Ich wollte ihn töten, weil ich wütend auf ihn war und es nicht zulassen konnte, dass er Ihnen alles verrät. Aber vermarkten wollte ich seinen Tod als Märtyrertod.«
»Ich bin aber kein KPD-Mitglied.«
»Und wie sieht es mit Ihrem Vater aus? Der ist doch immer noch aktiver Kommunist und Sie sind in diesem Sinne erzogen worden. Während Ihrer Zeit bei der Polizei waren Sie auffällig und haben mindestens ein Disziplinarverfahren erhalten, was darauf zurückzuführen ist. Sie sehen, ich habe mich über Sie informiert.«
»Ich soll also der Mörder sein, und was dann? Es interessiert doch niemanden, wenn ich einen Kriegsverbrecher umbringe, der im Rollstuhl sitzt – ganz gleich, welche politische Gesinnung auch immer Sie mir andichten wollen.«
»Sagen Sie das nicht. Wichtig ist doch, dass eine Diskussion angeheizt wird. Und glauben Sie mir, wenn ein Linksextremer einen wehrlosen Kriegsveteran hinrichtet, wird es Diskussionen geben. 1930 saß die NSDAP auch noch nicht im Reichstag, trotzdem hat der Mord für großen Rummel gesorgt.«
»Und was ist mit Eva?«
»Nachdem Sie die Villa verlassen haben, bin ich in seinem Fechtanzug zum alten Kampowski und habe ihm seinen eigenen Degen ins Herz gerammt. Der hat vielleicht Augen gemacht, als ich aus meinem Versteck kam. Danach bin ich sofort ins Auto gestiegen und Ihnen nachgefahren, Sie waren zum Glück noch nicht weit gekommen. Leider musste ich mitansehen, wie Sie mit den Unterlagen in einem Haus verschwanden und ohne sie wieder herauskamen. Sie verstehen sicherlich, dass ich mir die Akte wiederholen musste. Die Entführung Ihrer Freundin war dabei eher ein Nebenprodukt.«
»Und? Was nun?«
Sebastian winkt der Bedienung und verlangt die Rechnung.
»Wir müssen ein Treffen für die Übergabe vereinbaren. Sie bringen die Unterlagen, ich bringe Eva. Ich weiß nur noch nicht, wo und wann. Haben Sie ein Mobiltelefon bei sich?«
»Nein.«
»Hier«, sagt Sebastian und zieht ein Handy aus seiner Hosentasche.
»Nehmen Sie das hier. Ich rufe Sie an, wenn es so weit ist. Ich lade Sie ein.«
Sebastian bezahlt für beide. Sie stehen auf und gehen ein paar Meter. Dann hält Sebastian und fasst Kimski am Arm.
»Bleiben Sie hier stehen, bis ich verschwunden bin. Und machen Sie keinen Scheiß. Denken Sie an Eva.«
Er wühlt sich in die Menschenmasse und ist nicht mehr zu sehen.
Was für ein Arsch! Und die ganze Wahrheit hat er ihm auch nicht erzählt. Sicher plant er wieder irgendeinen neuen Mist. Wenn Kimski nur wüsste, was Sebastian sich diesmal hat einfallen lassen. Er beobachtet noch, wie dieser auf der anderen Seite des Marktplatzes hinter dem Rathaus verschwindet. Wenige Sekunden später setzt sich auf der anderen Straßenseite ein Mann in Bewegung, schwingt sich auf eine Vespa und fährt los.
Kimski lächelt. Zumindest ist noch nicht alles verloren.
Vierter Teil
39.
Er fährt auf der B3 am Neuenheimer Feld entlang. Der Privatdetektiv hat ihm vorhin einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Der Scheißkerl hat doch tatsächlich eine Kopie der Doktorarbeit aufgetrieben, so ein durchtriebener Drecksschnüffler, was Kimski zu einem würdigen Gegner macht, das muss man ihm lassen. Aber sei’s drum, der kurze Überraschungsmoment hat schließlich dazu geführt, dass seine grauen Zellen wieder ordentlich in Schwung gekommen sind. Es ist nicht gut, den Feind zu unterschätzen, denn davon wird man träge. Jetzt ist er wieder hellwach und obendrein ist ihm ein Spitzenplan eingefallen, wofür er sich selbst auf die Schulter klopfen könnte. Nun schließt sich der Kreis, Kimski muss nämlich sterben! Warum ist ihm das nicht früher klar geworden? Das ist der perfekte Mord, weil die Polizei ihn bereits für den Täter hält. Nach seinem Tod würden die Ermittlungen eingestellt und alles für immer zu den Akten gelegt werden. Es darf natürlich nicht so aussehen, als sei Kimski seinerseits ermordet worden, denn das würde neue Fragen aufwerfen. Die Polizei muss Kimski bei der Festnahme erschießen und dafür wird er sorgen.
Sein Vertrauen hat er sich schon erschlichen. Dafür war es unerlässlich, ihm die Wahrheit über seine Motive zu erzählen – oder zumindest zum großen Teil, denn alles hat er nicht ausgepackt. An zwei Stellen hat er sogar bewusst gelogen, denn seine Mutter ist nicht tot.
Aber da Kimski ihre Spur anscheinend noch nicht aufgenommen hat,
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