Die vergessenen Welten 04 - Das Tal der Dunkelheit
Robe.
»Morkai!« rief Sydney.
»Ich grüße dich«, erwiderte der Geist, »und richte dir auch Grüße von Dendybar dem Bunten aus.«
Voller Argwohn vor der Erscheinung wich Entreri in eine Ecke des Zimmers zurück. Catti-brie, die mit ihren Fesseln hilflos war, saß ganz still da.
Sydney, die sich in den Künsten der Beschwörung auskannte, wußte, daß das unirdische Wesen unter Dendybars Kontrolle stand, und hatte daher keine Angst. »Warum hat dich mein Meister hierher befohlen?« fragte sie kühn.
»Ich habe Neuigkeiten«, erwiderte der Geist. »Die Gruppe, die ihr sucht, wurde vor einer Woche südlich von Nesme gezwungen, den Weg durch das Ewige Moor zu nehmen.«
Voller Erwartung auf die nächste Enthüllung des Geistes biß sich Sydney auf die Lippe, aber Morkai verfiel in Schweigen und wartete gleichfalls.
»Und wo sind sie jetzt?« drang Sydney ungeduldig auf ihn ein.
Morkai lächelte. »Zweimal wurde ich gefragt, aber noch nie gezwungen!« Die Flammen blähten sich wieder auf, und der Geist war verschwunden.
»Das Ewige Moor«, sagte Entreri. »Damit wäre ihre Verspätung erklärt.«
Sydney nickte geistesabwesend, denn sie befaßte sich mit anderen Dingen. »Noch nie gezwungen«, flüsterte sie. Während sie die letzten Worte des Geistes wiederholte, drängten sich ihr beunruhigende Fragen auf. Warum hatte Dendybar eine Woche gewartet, bis er Morkai mit diesen Nachrichten zu ihr geschickt hatte? Und warum hatte der Zauberer den Geist nicht zwingen können, Einzelheiten über die Aktivitäten der Gruppe des Dunkelelfen zu berichten? Sydney kannte die Gefahren und Grenzen einer Beschwörung und wußte von der gewaltigen Belastung, die sie für die Kräfte eines Zauberers bedeutete. Dendybar hatte in letzter Zeit mindestens dreimal Morkai angerufen — einmal, als die Gruppe nach Luskan gekommen war, und bestimmt zweimal, seitdem sie und ihre Gefährten die Verfolgung aufgenommen hatten. Hatte Dendybar in seinem übermäßigen Verlangen nach dem Gesprungenen Kristall alle Vorsichtsmaßnahmen außer acht gelassen? Sydney spürte, daß die Macht des bunten Zauberers über Morkai nachgelassen hatte, und sie hoffte, daß Dendybar bei künftigen Beschwörungen vernünftiger sein würde, zumindest so lange, bis er sich wieder völlig erholt hatte.
»Wochen können vergehen, bis sie hier endlich eintreffen!« fauchte Entreri, nachdem er über die Nachrichten nachgedacht hatte. »Falls sie überhaupt noch kommen.«
»Da könntest du recht haben«, stimmte Sydney ihm zu. »Sie können auch in den Sümpfen verunglückt sein.«
»Und dann?«
»Dann gehen wir auch dorthin«, erwiderte Sydney, ohne zu zögern.
Entreri musterte sie kurz. »Es muß wirklich etwas sehr Kostbares sein, nach dem du suchst«, bemerkte er.
»Ich tue meine Pflicht und werde meinen Meister nicht enttäuschen«, gab sie scharf zurück. »Bok wird sie finden, selbst wenn sie am Grund des tiefsten Sumpfes liegen!«
»Wir sollten bald entscheiden, wie wir weiter vorgehen«, drängte Entreri hartnäckig. Er funkelte Catti-brie böse an. »Allmählich werde ich es leid, sie zu bewachen.«
»Ich traue ihr auch nicht über den Weg«, pflichtete Sydney ihm bei. »Obwohl sie sich als nützlich erweisen kann, wenn wir den Zwerg treffen. Wir sollten noch drei Tage warten. Dann gehen wir nach Nesme zurück und, wenn es sein muß, in das Ewige Moor.«
Entreri nickte widerstrebend zu diesem Vorschlag. »Hast du gehört?« zischte er Catti-brie an. »Du hast noch drei Tage zu leben, falls deine Freunde nicht eintreffen. Wenn sie tot im Moor liegen, brauchen wir dich nicht mehr.«
Während der ganzen Unterhaltung hatte Catti-brie keine Miene verzogen. Sie wollte auf keinen Fall, daß sich Entreri einen Vorteil ihr gegenüber verschaffte, indem sie ihm ihre Schwächen oder Stärken zeigte. Und sie glaubte nicht, daß ihre Freunde tot waren. Es war Männern wie Bruenor Heldenhammer und Drizzt Do'Urden nicht bestimmt, in einem verlassenen Sumpf ein unbekanntes Grab zu finden. Und sie würde es ohne einen unwiderlegbaren Beweis niemals glauben, daß Wulfgar tot sein könnte. Während sie sich an ihre Überzeugung klammerte, sah sie ihre Pflicht ihren Freunden gegenüber darin, sich nichts anmerken zu lassen. Sie wußte, daß sie ihre persönliche Schlacht gewinnen würde und daß ihre lähmende Angst vor Entreri mit jedem Tag abnahm. Zur gegebenen Zeit würde sie zum Handeln bereit sein. Sie mußte lediglich sicherstellen, daß Entreri und Sydney
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