Die vergessenen Welten 05 - Der magische Stein
grauer Bart bei seinen Bewegungen in der Kristallkugel hervorrief.
Schließlich blickte LaValle auf. Er konnte deutlich die Anspannung in Pooks Gesicht sehen, was nach einem Besuch der Werratte nicht überraschend war. »Sie haben sie also getötet?« fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte.
»Ich verabscheue ihn«, murmelte Pook.
LaValle nickte zustimmend. »Aber du kannst nicht leugnen, daß du durch Rassiter Macht gewonnen hast.«
Der Zauberer sagte die Wahrheit. In den zwei Jahren, seit sich Pook mit den Werratten verbündet hatte, war seine Gilde die berühmteste und mächtigste in der ganzen Stadt geworden. Allein von dem Zehnten, den ihm die Händler im Hafen als Schutzgeld zahlten — ein Schutz vor seiner eigenen Gilde —, konnte er ein gutes Leben führen. Sogar die Kapitäne vieler Handelsschiffe, die hier auf der Durchreise anlegten, wußten so viel, daß sie Pooks Kassierer nicht wegschickten, wenn sie ihm auf den Kaianlagen begegneten.
Und jene, die es noch nicht wußten, lernten es schnell.
Nein, Pook konnte nicht abstreiten, daß er durch Rassiter und seine Männer große Vorteile hatte. Aber der Gildenvorsteher hatte für diese erbärmlichen Kreaturen, die tagsüber Menschen waren, aber in der Nacht tierische Züge annahmen und sich in eine Mischung von Mensch und Ratte verwandelten, nichts übrig. Und ihm gefielen die Methoden nicht, wie sie ihre Geschäfte erledigten.
»Genug davon«, sagte Pook und ließ die Hände auf LaValles schwarze Samttischdecke fallen. »Ich bin mir sicher, daß ich zwölf Stunden im Harem brauche, um mich von diesem Besuch zu erholen.« Sein Grinsen zeigte, daß ihm dieser Gedanke allerdings nicht unangenehm war. »Aber was wolltest du von mir?«
Ein breites Lächeln huschte über das Gesicht des Zauberers. »Ich habe heute mit Oberon in Baldurs Tor gesprochen«, begann er mit einem gewissen Stolz. »Ich habe etwas erfahren, was dich in bezug auf deine Unterhaltung mit Rassiter alles vergessen lassen wird.«
Pook wartete geduldig und erlaubte LaValle, seine theatralische Szene weiterzuspielen. Der Zauberer war ein hervorragender und treuer Mitarbeiter, und einen engeren Freund hatte der Gildenvorsteher nicht.
»Dein Meuchelmörder ist auf dem Heimweg!« verkündete LaValle plötzlich.
Pook brauchte einen Augenblick, bis er die Bedeutung und die Folgen der Worte des Zauberers verarbeitet hatte. Aber dann verstand er alles und sprang vom Tisch auf. »Entreri?« keuchte er schwer atmend.
LaValle nickte und mußte beinahe auflachen.
Pook fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Drei Jahre. Entreri, der Gefährlichste aller Gefährlichen, kehrte nach drei langen Jahren zu ihm zurück. Er sah den Zauberer neugierig an.
»Er hat den Halbling«, beantwortete LaValle die unausgesprochene Frage. Pooks Gesicht strahlte in einem breiten Lächeln auf. Er beugte sich gespannt vor, und seine goldenen Zähne funkelten im Kerzenlicht.
LaValle war wirklich glücklich, daß er seinen Gildenvorsteher erfreuen und ihm die Neuigkeiten übermitteln konnte, auf die er seit so langer Zeit gewartet hatte. »Und den Rubinanhänger!« verkündete der Zauberer und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Ja!« knurrte Pook und brach in Gelächter aus. Sein Edelstein, sein wertvollster Besitz! Mit dessen hypnotischen Kräften würde er zu noch größerem Wohlstand und noch größerer Macht aufsteigen können. Er würde nicht nur alle beherrschen, mit denen er zusammentraf, sondern sie dabei obendrein glücklich machen. »Ach, Rassiter«, murmelte Pook, dem plötzlich einfiel, welche Macht er bald über seinen Partner gewinnen würde. »Unsere Beziehung wird sich in Kürze ändern, mein Nagetierchen.«
»Inwiefern wirst du ihn noch nötig haben?« fragte LaValle.
Pook zuckte mit den Schultern und sah zur anderen Seite des Zimmers hinüber, wo ein kleiner Vorhang hing.
Dort war der Tarostreifen.
LaValle erbleichte bei dem bloßen Gedanken. Der Tarostreifen war ein mächtiges Relikt, das seinen Besitzer oder dessen Feinde auf andere Existenzebenen befördern konnte. Aber seine Anwendung hatte ihren Preis. Er war von Bösartigkeit durchdrungen, und bei den wenigen Malen, als LaValle ihn benutzt hatte, hatte er immer gespürt, wie ein Teil von ihm aufgebraucht worden war, als würde der Tarostreifen ihm langsam die Lebenskraft rauben. LaValle haßte Rassiter, aber er hoffte, daß der Gildenvorsteher eine bessere Lösung finden würde als den Tarostreifen.
Der Zauberer wandte seinen
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