Die vergessenen Welten 06 - Der ewige Traum
Feuer brannte. Er stand breitbeinig im Korridor, und sein Atem kam kratzend wie ein leises Knurren. Er ließ seine Muskeln spielen, spannte und entspannte sie in einem rhythmischen Muster, bis sie ihre kämpferische Vollkommenheit erreicht hatten.
Die Diebesgilde also, das mächtigste Haus in ganz Calimhafen, dachte er.
Ein Lächeln flog über sein Gesicht. Schmerzen und Erschöpfung waren wie weggeblasen. Aus dem Lächeln wurde ein herzhaftes Lachen, als er davonstürmte.
Zeit zum Kämpfen.
Ihm fiel auf, dass der Tunnel schräg anstieg, und er vermutete, dass die nächste Tür, durch die er gehen würde, auf Straßenebene sein müsste. Bald darauf stieß er sogar auf drei Türen. Eine befand sich am Ende des Tunnels und die zwei anderen an den Seiten. Wulfgar wurde kaum langsamer, da er fand, dass eine Richtung genauso gut war wie die andere. Er raste durch die Tür am Ende des Korridors und platzte in einen achteckigen Wachraum mit vier äußerst überraschten Wächtern.
»Hey!« brachte einer von ihnen in der Mitte des Raumes gerade noch heraus, bevor er von Wulfgars Riesenfaust zu Boden geschlagen wurde. Der Barbar erblickte eine Tür, die derjenigen, durch die er gerade gekommen war, unmittelbar gegenüber lag, und lief schnurstracks darauf zu, da er hoffte, aus dem Zimmer verschwinden zu können, ohne sich auf einen längeren Kampf einlassen zu müssen.
Einer der Wächter, ein dunkelhaariger kleiner Gauner, erwies sich als der schnellere. Er sauste zu der Tür hinüber, steckte einen Schlüssel hinein und verschloss sie. Dann drehte er sich zu Wulfgar um, hielt den Schlüssel vor sich hin und grinste ihn an.
»Schlüssel«, flüsterte er und warf ihn einem seiner Kameraden zu.
Wulfgar packte ihn mit seiner großen Hand am Hemd und riss ihm dabei mehr als nur einige Brusthaare heraus. Der kleine Dieb merkte auf einmal, dass seine Füße in der Luft hingen.
Mit einem Arm schleuderte Wulfgar ihn durch die Tür.
»Schlüssel«, sagte der Barbar und trat über den Dieb hinweg, der wie ein Häuflein Elend zusammengekrümmt dalag.
Aber Wulfgar hatte die Gefahr noch bei weitem nicht hinter sich gelassen. Das nächste Zimmer war ein großer Empfangssaal, von dem Dutzende von Räumen abzweigten. Sein Spurt durch das Zimmer wurde von Alarmrufen begleitet, und die Aktionen um ihn zeugten von einem gut eingeübten Verteidigungsplan. Die menschlichen Diebe, Pooks ursprüngliche Gildenmitglieder, zogen sich fluchtartig in die Schatten und die Sicherheit ihrer Räume zurück, denn seit einem Jahr, seit Rassiter und seine Leute der Gilde beigetreten waren, waren sie von der Verantwortung entbunden, sich mit Eindringlingen zu befassen.
Wulfgar lief zu einer kleinen Treppe, nahm sie mit einem Satz und warf sich gegen eine Tür, die sich dort befand. Ein Irrgarten von Korridoren und offenen Räumen tat sich vor ihm auf und ein Schatz von Kunstwerken — Statuen, Gemälden und Wandteppichen —, der jede Sammlung übertraf, die sich der Barbar nur vorstellen konnte. Aber Wulfgar hatte keine Zeit, die Kunstschätze zu würdigen. Er sah die Gestalten, die ihm nachsetzten. Sie bewegten sich seitlich von ihm und scharten sich weiter vorne in den Korridoren zusammen, um ihm den Weg abzuschneiden. Er wusste, wer sie waren. Er kam ja gerade aus den Kanälen, wo sie lebten.
Er kannte den Geruch der Werratten.
* * *
Entreri hatte die Füße fest auf den Boden gesetzt und hielt sich bereit, als Drizzt durch das offene Gitter kam. Kaum wurde der Dunkelelf auf der Straße sichtbar, als der Meuchelmörder schon wild mit dem Säbel nach ihm schlug.
Aber Drizzt, der die Eisenstufen in vollendetem Gleichgewicht hinaufstieg, hatte die Hände frei. Da er mit so einem Angriff gerechnet hatte, hielt er seine Krummsäbel über dem Kopf gekreuzt, als er sich in der Öffnung zeigte. Er bekam Entreris Säbel zu fassen und stieß ihn zur Seite, bevor er verletzt werden konnte.
Dann standen sie sich auf der offenen Straße gegenüber.
Die ersten Vorboten der Morgendämmerung wurden am östlichen Horizont sichtbar, die Temperatur hatte bereits zu steigen begonnen, und die träge Stadt um sie herum erwachte.
Entreri stürmte auf den Dunkelelfen los, und Drizzt drängte ihn mit großartigen Gegenangriffen und reiner Kraft zurück. Er blinzelte dabei nicht einmal, und sein Gesicht war zu einer entschlossenen Miene verzogen. Methodisch ging er gegen den Meuchelmörder vor und schlug mit seinen Krummsäbeln gleichmäßig und hart zu.
Entreri,
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