Die vergessenen Welten 07 - Das Vermächtnis
des Portals, sah, wie sich das undurchsichtige Material dehnte und ausbeulte, als Dinin seinen Weg von der anderen Seite aus begann.
Ein riesiges Spinnenbein schlüpfte in den Raum, dann ein weiteres und ein drittes. Als nächstes kam der veränderte Leib hindurch und enthüllte, daß Dinins unbekleideter und aufgedunsener Körper von der Taille abwärts in den Unterleib einer riesigen, schwarzen Spinne verwandelt worden war. Sein einstmals hübsches Gesicht schien nun ein totes Ding zu sein. Es war geschwollen und ausdruckslos, und seine Augen hatten keinen Glanz mehr.
Der Söldner mußte schwer darum kämpfen, daß sein Atem weiter gleichmäßig blieb. Er nahm seinen großen Hut ab und strich sich mit der Hand über seinen kahlen, schwitzenden Kopf.
Die entstellte Kreatur war nun vollständig in den Raum gelangt und stellte sich unterwürfig hinter Vierna auf, die über das offensichtliche Unbehagen des Söldners lächeln mußte.
»Die Aufgabe ist von entscheidender Bedeutung«, erklärte Vierna. »Lloth wird keine Abweichler dulden.«
Falls Jarlaxle jemals Zweifel daran gehabt hatte, daß die Spinnenkönigin an Viernas Unternehmung beteiligt war, so waren sie jetzt verflogen.
Vierna hatte an dem widerspenstigen Dinin die höchste Strafe der Drowgesellschaft vollzogen, etwas, was nur eine Hohepriesterin vollbringen konnte, die bei Lloth in höchster Gunst stand. Sie hatte Dinins geschmeidigen Drowkörper durch diese groteske und mutierte Spinnenform ersetzt, sie hatte aus seiner wilden Unabhängigkeit ein bösartiges Verhalten geformt, das sich jedem ihrer Winke fügen würde. Sie hatte ihn in einen Drider verwandelt.
TEIL 2
Ideenwelten
In der Sprache der Dunkelelfen gibt es kein Wort für Liebe. Der Ausdruck, der dem am nächsten kommt, ist Ssinssrigg, aber das läßt sich besser mit körperlicher Lust oder selbstsüchtiger Gier übersetzen. Die Idee der Liebe existiert natürlich in den Herzen einiger Dunkelelfen, aber wahre Liebe, ein selbstloses Begehren, das oftmals persönliche Opfer verlangt, hat keinen Platz in einer Welt solch bitterer und gefährlicher Rivalität.
Die einzigen Opfer in der Drowkultur sind Gaben für Lloth, und diese sind wahrlich nicht selbstlos, denn der Gebende erhofft oder erbittet etwas Größeres als Gegenleistung.
Und doch war die Idee der Liebe nicht neu für mich, als ich das Unterreich verließ. Ich hatte Zaknafein geliebt. Ich liebte Belwar und Clacker. In der Tat war es gerade die Fähigkeit zur Liebe und mein Bedürfnis nach ihr, die mich schließlich aus Menzoberranzan fortgehen ließ.
Gibt es irgendwo auf der Welt eine Idee, die flüchtiger und weniger faßbar ist? Viele Leute in allen Rassen scheinen die Liebe einfach nicht zu verstehen, beschweren ihre wunderbare Einfachheit mit vorgefaßten Meinungen und unrealistischen Erwartungen. Welche Ironie liegt doch darin, daß ich, der ich aus der Finsternis des lieblosen Menzoberranzan gekommen bin, diese Idee besser begreifen kann als viele von jenen, die ihr ganzes Leben mit ihr gelebt haben oder zumindest mit der sehr realen Möglichkeit, sie zu erfahren.
Einige Dinge wird ein abtrünniger Dunkelelf nie für selbstverständlich ansehen.
Meine wenigen Reisen nach Silbrigmond haben in den letzten Wochen gutmütige Scherze meiner Freunde provoziert. »Bestimmt hat der Elf seine Augen auf eine weitere Hochzeit gerichtet!« hat Bruenor oft genug gesäuselt, womit er auf meine Beziehung zu Alustriel angespielt hat, der Herrscherin von Silbrigmond. Ich lasse ihre Sticheleien über mich ergehen, denn ich erkenne die ernste Wärme und die Hoffnungen dahinter, und ich wollte diese Hoffnungen nicht dadurch zerstören, daß ich meinen teuren Freunden erklärte, daß ihre Vermutungen fehlgeleitet sind.
Ich schätze Alustriel und die Güte, die sie mir erwiesen hat. Ich weiß zu würdigen, daß sie, eine Herrscherin in einer nur zu oft unvergebenden Welt, ein solches Risiko auf sich genommen hat, einen Dunkelelfen frei über die wunderbaren Straßen ihrer Stadt wandeln zu lassen. Daß Alustriel mich als ihren Freund akzeptiert hat, erlaubte es mir, mein Verlangen aus meinen wahren Wünschen zu ziehen, nicht aus erwarteten Beschränkungen.
Aber liebe ich sie?
Nicht mehr, als sie mich liebt.
Ich muß jedoch zugeben, daß ich die Gewißheit liebe, daß ich Alustriel lieben könnte und daß sie mich lieben könnte und daß die Farbe meiner Haut und der Ruf meiner Herkunft die edle Herrscherin von Silbrigmond nicht kümmern
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